Was alles zu werden vermag - KdpV (alle)

Devino M., Freitag, 29. April 2016, 02:31 (vor 3179 Tagen) @ Devino M.

Kritik der praktischen Vernunft - I. Kant - 1.B.3.H.

Auf diesen Ursprung gründen sich nun manche Ausdrücke, welche den Wert der Gegenstände nach moralischen Ideen bezeichnen. Der Mensch ist zwar unheilig genug, aber die Menschheit in seiner Person muss ihm heilig sein. In der ganzen Schöpfung kann alles, was man will, und worüber man etwas vermag, auch bloß als Mittel gebraucht werden; nur der Mensch, und mit ihm jedes vernünftige Geschöpf, ist Zweck an sich selbst. Er ist nämlich das Subjekt des moralischen Gesetzes, welches heilig ist, vermöge der Autonomie seiner Freiheit.
Eben um diesen willen, ist jeder Wille, selbst jeder Person ihr eigener, auf sie selbst gerichteter Wille, auf die Bedingung der Einstimmung mit der Autonomie des vernünftigen Wesens beschränkt, es nämlich keiner Absicht zu unterwerfen, die nicht nach einem Gesetze, welches aus dem Willen des leidenden Subjekts selbst entspringen könnte, möglich ist; also dieses niemals bloß als Mittel, sondern zugleich selbst als Zweck zu gebrauchen. Diese Bedingung legen wir mit Recht sogar dem göttlichen Willen, in Ansehung der vernünftigen Wesen in der Welt, als seiner Geschöpfe, bei, indem sie auf der Persönlichkeit derselben beruht, dadurch allein sie Zwecke an sich selbst sind.

Diese Achtung erweckend Idee der Persönlichkeit, welche uns die Erhabenheit unserer Natur (ihrer Bestimmung nach) vor Augen stellt, indem sie uns zugleich den Mangel der Angemessenheit unserer Verhaltens in Ansehung derselben bemerken lässt, und dadurch den Eigendünkel niederschlägt, ist selbst der gemeinsten Menschenvernunft natürlich und leicht bemerklich.
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Man sollte wohl nicht zuwider der Göttlichen Natur agieren, denn wenn der Höchste Geist dem Menschen einräumt, sich selbst zu sein und diesen nicht nur allein für eigene Zwecke einzuspannen, denn daher wäre wohl keinerlei Übel mehr möglich, dann sollte es natürlich kein niederer Teil der Schöpfung wider einen andern sein. Denn in eben der Weise, alles zum Mittel zu nehmen, statt allem vernunft-beseeltem einen eigenen Zweck einzuräumen, würde man sich selber dem Höchsten zuwider stellen.

Was könnte man auch vorbringen, wieso doch das, worein man keine Einsicht hat, aus diesem alles zu werden vermag, wenn man es lässt; auch wenn vorerst es scheinbar keine brauchbaren eigenen Zweck aufzeigt, doch letztlich wozu es im Stand ist, als nun bloß diesem die Rolle des Mittels allein bereit zu sein einzuräumen. Denn wäre Einsicht darein gegeben, wäre man wohl aufgerufen eben jenen Zwecks zu schützen und zu unterstützen, sofern man sich die Rolle eines moralischen Wesens gäbe.

Würde das Höhere so verfahren, alles bloß zum Mittel zu nehmen, sogar wenn man annähme, es würde dadurch mehr gutes da sein, worin würde das Gute denn bestehen, als dass es diesem letztlich gar nicht Zugute kommen könnte, denn es wäre an der Stelle gar nicht seiner Selbst hinreichend bewusst und diesem zwar unterworfen, aber ohne eigenen Willen.

So bleibt es wohl nicht aus, dass alles Übel soweit es der Erkenntnis diente, doch noch ein gewisses Gut darstellt. Und man sich selber seines Urteils hierüber nicht überheben bräuchte, wenn eben darum die Einsicht in sämtliche Zusammenhänge nicht ermangelte.

Auch kann man das, worin das Höhere nur die Freiheit ließe, jenem nicht irgend etwas Verwerfliches vorwerfen, denn das was freien Willen ermöglicht, hat bereits hierin seine Gutmütigkeit bewiesen und ist nicht Ursache auch für das, was aus jenem hervorgebracht wird. Und doch ist dieses ja als Gabe an das Gattungswesen immer noch in diesem und so auch der Zweck, der notwendig dem zugeordnet daher verdiente, wenn man das Höhere darin anerkennt.

Nun bleibt es bei jedem selber nur, das aufzuwiegen, was ihm möglich bleibt und eben dieses jedem anderen einzuräumen, einen Erweis dafür zu erbringen, mit welcher Natur er mehr übereinstimmt, heute, nicht jedoch, indem bloß ein Mittel gesehen wird, wodurch ein anderes Morgen womöglich erschwert wird. Denn nicht geklärt bleibt ja, was daraus noch zu werden vermag.


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