Eigentümlichkeit des Menschlichen Verstandes - KdU (alle)

Devino M., Freitag, 24. Oktober 2014, 01:17 (vor 3744 Tagen) @ Devino M.

Kritik der Urteilskraft - I. Kant
§ 77. Von der Eigentümlichkeit des Menschlichen Verstandes, wodurch uns der Begriff eines Naturzwecks möglich wird

... Gleichwohl würde dieses in der Tat folgen, wenn wir materielle Wesen, als Dinge an sich selbst, anzusehen berechtigt wären. Denn alsdann würde die Einheit, welche den Grund der Möglichkeit der Naturbildungen ausmacht, lediglich die Einheit des Raums sein, welcher aber kein Realgrund der Erzeugungen, sondern nur die formale Bedingung derselben ist; obwohl er mit dem Realgrunde, welchen wir suchen, darin einige Ähnlichkeit hat, daß in ihm kein Teil ohne in Verhältnis auf das Ganze (dessen Vorstellung also der Möglichkeit der Teile zum Grunde liegt) bestimmt werden kann.

Da es aber doch wenigstens möglich ist, die materielle Welt als bloße Erscheinung zu betrachten, und etwas als Ding an sich selbst (welches nicht Erscheinung ist) als Substrat zu denken, diesem aber eine korrespondierende intellektuelle Anschauung (wenn sie gleich nicht die unsrige ist) unterzulegen: so würde ein, ob zwar für uns unerkennbarer, übersinnlicher Realgrund für die Natur statt finden, zu der wir selbst mitgehören, in welcher wir also das, was in ihr als Gegenstand der Sinne notwendig ist, nach mechanischen Gesetzen, die Zusammenstimmung und Einheit aber der besonderen Gesetze und der Formen nach denselben, die wir in Ansehung jener als zufällig beurteilen müssen, in ihr als Gegenstände der Vernunft (ja das Naturganze als System) zugleich nach teleologischen Gesetzen betrachten, und sie nach zweierlei Prinzipien beurteilen würden, ohne daß die mechanische Erklärungsart durch die teleologische, als ob sie einander widersprächen, ausgeschlossen wird.
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Um mit dem Gegenstand der Betrachtung arbeiten zu können, wird vom Verstand ein Abbild angenommen, denn der Verstand hat keine Schnittmenge mit einem Objekt.

In der Weise kann das, was Objektiv ist, den Verstand, was nur ein Mittel und Werkzeug ausmacht, leicht abhängen, aber doch nicht seiner Nützlichkeit entheben, weil das Objekt zu diesem ebenso wenig eine Schnittmenge hat, außer der, die im Verstand bei seiner Tätigkeit eingeräumt wurde, in Bezug zu diesem.

Im Vergleich dazu einen Raum anzunehmen und sich fragen, wie weit der Raum den Zweck und die Absicht für Dasjenige darin bilden kann, oder Dasjenige den Raum nur für eigene Zwecke erhält, kann so scheinen, dass es schwer auf einen Nenner zu bringen sei. Aber im wesentlich wird der Raum allein meist die Dinge darin nicht begründen und ebenso einen Bezug zu einem größeren Ganzen haben, wie dasjenige in ihm, denn beides wird mehr ein Mittel als ein Selbstzweck in dem Zusammenhang bilden. Denn wäre eines davon nur Selbstzweck, dann würde es nicht im Verhältnis zum anderen stehen und fände im Zusammenhang keine Erwähnung. Beides ist auf eine Ursache also angewiesen, d.h. eine zugrunde liegende Absicht und je näher der Verstand dieser Absicht mit seinem Abbild kommt, um so näher können wohl die Schlussfolgerungen beim Naturzweck anknüpfen, eine direkte Schnittmenge ist aber nicht gegeben und jedes bleibt also seiner eigenen Natur verbunden.


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