Die Dinge an sich selbst - KdpV (alle)

Devino M., Freitag, 13. Mai 2016, 01:47 (vor 3165 Tagen) @ Devino M.

Kritik der praktischen Vernunft - I. Kant - 2.B.1.H.

Die reine Vernunft hat jederzeit ihre Dialektik, man mag sie in ihrem spekulativen oder praktischen Gebrauche betrachten; denn sie verlangt die absolute Totalität der Bedingungen zu einem gegebenen Bedingten, und diese kann schlechterdings nur in Dingen an sich selbst angetroffen werden.
Da aber alle Begriffe der Dinge auf Anschauungen bezogen werden müssen, welche, bei uns Menschen, niemals anders als sinnlich sein können, mithin die Gegenstände, nicht als Dinge an sich selbst, sondern bloß als Erscheinungen erkennen lassen, in deren Reihe des Bedingten und der Bedingungen das Unbedingte niemals angetroffen werden kann, so entspringt ein unvermeidlicher Schein aus der Anwendung dieser Vernunftidee der Totalität der Bedingungen (mithin des Unbedingten) auf Erscheinungen, als wären sie Sachen an sich selbst (denn dafür werden sie, in Ermangelung einer warnenden Kritik, jederzeit gehalten), der aber niemals als trüglich bemerkt werden würde, wenn er sich nicht durch einen Widerstreit der Vernunft mit sich selbst, in der Anwendung ihres Grundsatzes, das Unbedingte zu allem Bedingten vorauszusetzen, auf Erscheinungen, selbst verriete.

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Der reine praktische Gebrauch der Dinge an sich selbst, ist der, nach ihrer eigenen Art, d.i., die Vernunft als Vernunft, eine Kerze als Kerze und ein Auftreten, als ein Auftreten zu führen und zu halten.

Denn man kann wohl sagen, dass etwas an sich selbst ohnehin als Sinnesaufnahme nicht die Annahme dessen an sich selbst ist, ausgenommen die der Sinnesart an sich und dem, was dieses darin bedeutet.

Denn durch welchen Sinneseindruck auch immer oder auch nach jeweiligem Körper (physisch, emotional, mental, selbst derer weiterer, welche auch immer man anführte), hat man es nicht mit den Dingen an sich selbst zu tuen, sondern jeweils einer Anschauung dessen oder was es nach jeweiligem Organ bedeutet, nicht wie es aber ohne ein Organ an sich ist.

Dabei mag es nach jeder Art einen Stoff, in welchem Dinge oder eine Sache an sich selbst angetroffen werden kann, geben, und so auch tatsächlich diese dort an sich selbst behandelbar, dazu muss man sich diesem Stoffe aber auch erstmal nach seiner Art angenähert haben.

Nebst einer kritischen Auseinandersetzung, um sich selber nicht auf den Leim zu führen, blieben ebenso viele Mittel wohl damit umzugehen, wie es derer verschiedene Arten gibt. Denn man wird nicht gleichermaßen mit allem umgehen können oder darin sein, um ernstlich zu meinen, man hätte es jederzeit, meistens oder überhaupt auch nur häufig mit den Dingen an sich selbst zu tuen.

Es bliebe wohl dem Erfassen der Seele überlassen, die Dinge an sich selbst erfassen zu können, und doch je nach Stoffesart, bräuchte selbst eine Seele ein Organ oder einen Körper, um nach jeweiligen Stoffesart, mit den Dingen an sich selbst interagieren zu können. Und ginge man über und nähme an, man hätte die Dinge an sich selbst, vollumfänglich erfasst und in der Hand, so wäre selbst das Vollumfängliche, ein übergreifendes, aber nicht notwendig ein Mittel, um der Sache wie sie ist zugleich nach ihrer Art zu begegnen, denn es könnte schnell in eine Reflexion oder Spiegelung übergehen (als Vergleich der Logos und die mit ihm verbunden Schöpfung).

So zeigt sich doch, dass man kaum jederzeit es mit den Dingen an sich selbst ganz direkt zu tuen hat, ja sogar fast nie. In der Weise aber täuschte man sich jederzeit also, wenn man davon ausginge, man hätte es immer wieder mit den Dingen an sich selbst zu tuen. So könnte man sich ggf. selbst mit den leichtesten und schlichtesten Dingen schnell überheben oder verschätzen.

Um nicht jederzeit sich in einer kritischen Auseinandersetzung mit allem zu vertiefen oder zu versteigen, blieben noch viele Mittel, damit angemessen umgehen zu können und je nach Art zwischen den passendsten auszuwählen. Es ließe sich hierzu u.a. aufzählen:
- alles nicht ganz ernst zu meinen und zu nehmen
- sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen
- etwas nur symbolisch zu versinnbildlichen
- etwas bildlich darzustellen
- als Hypothese zu formulieren
- oder nur als Prosa davon allgemein zu erzählen
u.dgl.m...


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