Autonomie im Geschmack und Meinung? - KdU (alle)

Devino M., Mittwoch, 11. Juni 2014, 22:51 (vor 3878 Tagen) @ Devino M.

Kritik der Urteilskraft - Kant - § 32. Erste Eigentümlichkeit des Geschmacksurteils

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Überdies wird von jedem Urteil, welches den Geschmack des Subjekts beweisen soll, verlangt: daß das Subjekt für sich, ohne nötig zu haben, durch Erfahrung unter den Urteilen anderer herumzutappen, und sich von ihrem Wohlgefallen oder Mißfallen an demselben Gegenstande vorher zu belehren, urteilen, mithin sein Urteil nicht als Nachahmung, weil ein Ding etwa wirklich allgemein gefällt, sondern a priori absprechen solle. Man sollte aber denken, daß ein Urteil a priori einen Begriff vom Objekt enthalten müsse, zu dessen Erkenntnis es das Prinzip enthält; das Geschmacksurteil aber gründet sich gar nicht auf Begriffe, und ist überall nicht Erkenntnis, sondern nur ein ästhetisches Urteil.

Daher läßt sich ein junger Dichter von der Überredung, daß sein Gedicht schön sei, nicht durch das Urteil des Publikums, noch seiner Freunde abbringen; und, wenn er ihnen Gehör gibt, so geschieht es nicht darum, weil er es nun anders beurteilt, sondern weil er, wenn gleich (wenigstens in Absicht seiner) das ganze Publikum einen falschen Geschmack hätte, sich doch (selbst wider sein Urteil) dem gemeinen Wahne zu bequemen, in seiner Begierde nach Beifall Ursache findet. Nur späthin, wenn seine Urteilskraft durch Ausübung mehr Geschäft worden, geht er freiwillig von seinem vorigen Urteile ab; so wie er es auch mit seinen Urteilen hält, die ganz auf Vernunft beruhen. Der Geschmack macht bloß auf Autonomie Anspruch. Fremde Urteile sich zum Bestimmungsgrunde des seinigen zu machen, wäre Heteronomie.
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Wenn das Geschmacksurteil eine Allgemeingültigkeit bei sich tragen soll, dann müsste es a priori mit anderen übereinstimmen, sprich, man sich mit ihnen absprechen können, sofern dieses nicht auf Schönheit beruhte, die sich in Ansehung z.B. erst ergibt und eben deshalb vorher keinen Begriff davon als Ursache hat.

Das Thema Heteronomie ist ohnehin etwas, dass unser einen nicht wenig beschäftigt. Mit der Tragweite hiervon hat man dann zu tuen, wenn man nicht nur als theoretisches Konzept von der Breiten Maße und dem Mitschwimmen in der breiten Maße ausgeht, sondern auch wirklich die geistige Auswirkung davon erfährt und mal unabhängig diverser Einflüsse tätig sein mag. Dann kommt man nicht umhin fest zu stellen, dass es einen geistigen Raum gibt und alles was man nicht in gewisser Hinsicht selber reflektiert und erarbeitet hat, einem wenig Autonomie ermöglicht, denn mit der breiten Maße als solches mitgehen, stellt einen selber in den selben Raum und somit ist Heteronomie fast schon der normale Umgang durch den Raum, den man sich teilt. Denn das, was man lediglich in der Äußerlichkeit als trennend ansehen und somit bereits hierdurch als Unabhängigkeit ausgeben mag, ist noch lange nicht der Gradmesser, dass man innerlich für sich oder unabhängig dessen, da zu stehen, vermag. D.h., dass Äußere trennt noch lange nicht das Innere und Subjektive oder genauer gesagt, bildet von selbst für einen die Autonomie heraus.

Und gerade die, die am lautesten auf ihre so besondere Meinung pochen wollen, sind nicht selten die selben, die am weitesten davon entfernt sind. Denn ohne wirklich eigenen Standpunkt, der auf etwas basiert, was sie rein aus sich heraus a priori bereits geschaffen und gebildet haben, um dadurch eine Deduktion erst von etwas machen zu können, eben dort kann es keine unabhängige Meinung geben und man wird schnell an den Punkt gelangen, irgend welche allgemeinen Ansichten als seine anzusehen und auszugeben.

Es gibt sicherlich weit mehr Meinungen, als Köpfe, die in der Position sind, sich diese autonom bilden zu können und Meinungen basierend auf Heteronomie, dienen doch letzten Endes nur dazu einen Standpunkt der Maße abzubilden und sind kein Grund sich auf seine Meinung etwas einbilden zu können. Das ist mal meine bescheidene Meinung dazu. :-)

Deswegen gilt Selbstverwirklichung sowohl dafür tatsächliche Freiheit zu erlangen, als auch bereits für den Luxus, es sich zu erlauben, zu Allerlei eine eigene Meinung zulegen zu müssen!


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