Sittlich ansprechbar - KdrV (alle)
Kritik der reinen Vernunft - I. Kant - II Transzendentale Methodenlehre - 1.H.2.A.
Die Disziplin der reinen Vernunft in Ansehung ihres polemischen Gebrauchs
... Es gibt eine gewisse Unlauterkeit in der menschlichen Natur, die am Ende doch, wie alles, was von der Natur kommt, eine Anlage zu guten Zwecken enthalten muss, nämlich eine Neigung, seine wahre Gesinnungen zu verhehlen, und gewisse angenommene, die man für gut und rühmlich hält, zur Schau zu tragen. Ganz gewiss haben die Menschen durch diesen Hang, sowohl sich zu verhehlen, als auch einen ihnen vorteilhaften Schein anzunehmen, sich nicht bloß zivilisiert, sondern nach und nach, in gewissem Maße, moralisiert, weil keiner durch die Schminke der Anständigkeit, Ehrbarkeit und Sittsamkeit durchdringen konnte, also an vermeintlich echten Beispielen des Guten, die er um sich sah, eine Schule der Besserung für sich selbst fand. Allein diese Anlage, sich besser zu stellen, als man ist, und Gesinnungen zu äußern, die man nicht hat, dient nur gleichsam provisorisch dazu, um den Menschen aus der Rohigkeit zu bringen, und ihn zuerst wenigstens die Manier des Guten, das er kennt, annehmen zu lassen; denn nachher, wenn die echten Grundsätze einmal entwickelt und in die Denkungsart übergegangen sind, so muss jene Falschheit nach und nach kräftig bekämpft werden, weil sie sonst das Herz verdirbt, und gute Gesinnungen unter dem Wucherkraute des schönen Scheins nicht aufkommen lässt...
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Das gute daran, ist wohl das gute darin, denn selbst mit der zur Schautragung von Tugenden, die man nicht hat, wenngleich man sie für sich vor allem im Falle von Verblendung einzuräumen gedachte, doch ist es immerhin ein Schritt dahin sich tatsächlich darum zu mühen diese zu entwickeln. Wenngleich vielleicht nur unter Zugzwang, und unter Beraubung daher der eigenen Freiheit und Eigenständigkeit darin.
Denn so fängt man sich selbst, hat man etwas geäußert, so sieht man sich in der Not, allein in Anbetracht alles dessen, was man vor sich in sich zu vertreten hat, sich danach auch zu richten, um sich dann nicht zusätzlich noch der Heuchelei verschrieben zu sehen. Also ist es zu etwas gut, wenn auch weder wirklich vornehm, noch sittlich genug um von sich aus darunter subsumiert zu werden.
Wenn man bedenkt, auf welcher Ebene nun einer Unterhaltung man teilnehmen möchte, wäre die Sittlichkeit keine schlechte, denn ernstlich ließe sich damit einiges abhändeln, ohne dass es in irgend einer Form an die Substanz geht, um so dann sanft etwas integriert zu können. Für mancherlei Sache ist sogar unabdingbar, sittlich ansprechbar zu sein. Hierzu zählt allerdings nicht irgendein Idealismus, der rein vor sich bloß gestellt werde, auch wenn man meint diesen oberflächlich einzuhalten, jedoch in der Tiefe nichts weiter vorzufinden ist, was diesem unter die Arme greifen könnte, sollte es sich ernstlicher Untersuchung unterziehen wollen. Denn wenn einem nur idealistische Wunschvorstellungen raussprudeln, ist man sittlich gar nicht ansprechbar und nicht weniger ein Extrem, als wenn es um moralische Rohigkeit oder Verruchtheit ginge. Keines davon wäre mehr oder weniger sittlich ansprechbar oder wirklich von größerem Wert, denn die Frage wäre dann nur eher, was von Substanz worunter subsumiert wäre, um womöglich daraus etwas herausarbeiten zu können. Mehr Sittlichkeit als Tragkraft wäre in keinem dieser Dinge sodann.
Daher gibt es an gewissen Weggabelungen gar nicht die Wahl, ob man nun an der Sittlichkeit arbeiten wollte oder nicht, denn ohne diese, ließe sich darunter nicht subsumieren, von dem, was dieses voraussetzte. Dann hilft aber nichts, was sich zur Schau stellen ließe, als das, wie es im Herzen darum tatsächlich stünde. Andernfalls wäre es einem Vakuum gleich, eines fast größeren Aufwandes um jenes wieder ins Lot bringen zu können. Ehrlichkeit mit sich und an sich ließe dieses schon gar nicht zu und wäre daher bereits ein größerer Ansatz zur Sittlichkeit, als irgend eine Art von Getue es daher wäre.
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