Kritische Betrachtungsweisen - KdrV (alle)

Devino M., Mittwoch, 15. Februar 2017, 23:55 (vor 2883 Tagen) @ Devino M.

Kritik der reinen Vernunft - I. Kant - II Transzendentale Methodenlehre - 1.H.2.A.
Die Disziplin der reinen Vernunft in Ansehung ihres polemischen Gebrauchs

Die Vernunft muss sich in allen ihren Unternehmungen der Kritik unterwerfen, und kann der Freiheit derselben durch kein Verbot Abbruch tun, ohne sich selbst zu schaden und einen ihr nachteiligen Verdacht auf sich zu ziehen. Da ist nun nichts so wichtig, in Ansehung des Nutzens, nichts so heilig, das sich dieser prüfenden und musternden Durchsuchung, die kein Ansehen der Person kennt, entziehen dürfte. Auf dieser Freiheit beruht sogar die Existenz der Vernunft, die kein diktatorisches Ansehen hat, sondern deren Ausspruch jederzeit nichts als die Einstimmung freier Bürger ist, deren jeglicher seine Bedenklichkeiten, ja sogar sein Veto, ohne Zurückhalten muss äußern können.

Ob nun aber gleich die Vernunft sich der Kritik niemals verweigern kann, so hat sie doch nicht jederzeit Ursache sie zu scheuen. Aber die reine Vernunft in ihrem dogmatischen (nicht mathematischen) Gebrauche ist sich nicht so sehr der genauesten Beobachtung ihrer obersten Gesetze bewusst, dass sie nicht mit Blödigkeit, ja mit gänzlicher Ablegung alles angemaßten dogmatischen Ansehens, vor dem kritischen Auge einer höheren und richterlichen Vernunft erscheinen müsste.
---
Ganz klar ist, man kann sich nicht auf höchste Wahrheiten berufen, und es scheuen, dass diese einer kritischen Betrachtungsweisen nicht standhalten würden. Denn sollte es nun höchste und nicht bloß angemaßte Wahrheit darum sein, was könnte diese Abbruch tuen? Doch ließe sich diese jene in drei Sätzen widerlegen, so könnte es daher wohl kaum höchste Wahrheit heißen!

Beim verehrten Philosophenkollegen Kant finden sich wohl die mit überzeugendsten Argumente, es könnte wohl so sein, dass es keinen Gott gibt, denn immer ist er in allem fassbaren wohl nicht ohne weiteres anzutreffen. Und doch schließt kann fast wie beiläufig damit sinngemäß ab, "doch ich glaube an einen Gott, denn alle ausgefallenen und wesenhaften Dinge könnten ja doch nicht sein, wenn nicht ein höchstes Wesen wäre, was diese hervorgebracht und ersonnen haben muss, denn woher sollte dieses ausgefallene und wesenhafte von selbst herkommen?!".

So die Thesen und Antithesen, bis in die denkbarsten Ecken, ohne Scheu hinzusehen, statt blindlings nur etwas zu behaupten, ohne auch nur im geringsten etwas einer ernsteren Betrachtung zu unterziehen. Das nennt sich Handwerk, worin möglichst kein Pfusch sein Unrat auch nur treiben könnte!

Vieles, wenn man es also nur vom Wesen der Sache her betrachtet, lässt sich leicht zu seinem bestimmten Platz hinbringen, im größeren Zusammenhang, worin es wohlgefällig seine bestimmte Rolle ausübt zur größten Nützlichkeit. Man muss es nur prüfen wollen. Zumal es oft keinerlei Grund auch gibt, sich selber mehr darin einzubringen, als es der Sache not oder gut täte.

Dann reicht oft nur ein zarter Eindruck, und mehr bedarf es nicht, um angemessen damit umgehen zu können. Es braucht nicht erst unter die Haut zu gehen und einzuschneiden, um einer Berührung zu gewahren. Und selbst nun wenn man meinte es in dieser Weise für nötig zu befinden, heißt es ja nicht, dass es das ist, was andere wollen oder auch nur bräuchten, auch nur irgendwer sonst.

Gott allein kennt alle Dinge bis auf ihren Wesensgrund, er kann wohl gar nicht anders. Wir aber können anders und manche Dinge möchte man auch gar nicht wissen, weil man es nicht braucht und es in der Weise kann.

Es ist daher auch Freiheit, etwas einfach nicht zu wissen, doch ist es keine Freiheit, wenn man sein nominales Wissen nicht bereit wäre kritischen Betrachtungsweisen zu unterziehen. Denn so oder so taugt es nur etwas, in dem und worin es bestehen kann. Überredungskunst allein macht es nicht aus, selbst wenn man sich selber leichtgläubig gern zu allerlei Überzeugung verleitete, darin z.B. etwas taugte etwas, ohne jedoch von irgend einem Nutzen für irgend etwas oder irgend jemanden sonst zu sein, worin es sich als tauglich erwiese.


gesamter Thread:

 

powered by my little forum