Das fassbare und das unfassbare - KdpV (alle)
Kritik der praktischen Vernunft - I. Kant - 2.B.2.H.IV
... der Satz von der moralischen Bestimmung unserer Natur, nur allein in einem ins Unendliche gehenden Fortschritte zur völligen Angemessenheit mit dem Sittengesetze gelangen zu können, ist von dem größten Nutzen, nicht bloß in Rücksicht auf die gegenwärtige Ergänzung des Unvermögens der spekulativen Vernunft, sondern auch in Ansehung der Religion. In Ermangelung desselben wird entweder das moralische Gesetz von seiner Heiligkeit gänzlich abgewürdigt, indem man es sich als nachsichtig, (indulgent) und so unserer Behaglichkeit angemessen, verkünstelt, oder auch seinen Beruf und zugleich Erwartung zu einer unerreichbaren Bestimmung, nämlich einem verhofften völligen Erwerb der Heiligkeit des Willens, spannt, und sich in schwärmende, dem Selbsterkenntnis ganz widersprechende theosophische Träume verliert, durch welches beides das unaufhörliche Streben zur pünktlichen und durchgängigen Befolgung eines strengen unnachsichtlichen, dennoch aber nicht idealischen, sondern wahren Vernunftgebots, nur verhindert wird. Einem vernünftigen, aber endlichen Wesen ist nur der Progressus ins Unendliche, von niederen zu den höheren Stufen der moralischen Vollkommenheit, möglich.
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Im Grunde, selbst wenn man weiß, etwas kann in der Weise gar nicht erreicht werden, ist es doch von Wert, seinen Willen darauf gerichtet zu halten. Denn, was unabhängig der Zeit verläuft und selbst von dem, was innerhalb der Zeit verläuft nicht angetroffen werden kann, ändert es nichts an dem, was unabhängig der Zeit verläuft.
Überhaupt, wie entwickelt sich denn etwas, das zeitlos ist? Ausdehnung und zusammenziehen (In-sich-Kehrung) sind nicht unbedingt zeitlich bedingt, sondern mehr Zustände oder auch eine Art von Bewegung. So entwickelt sich auch manches, was zeitlos ist, dadurch, dass es bereits zugleich erreicht und nicht erreicht ist, und sich vom bereits Erreichten ins unerreichte ausdehnt und im Zustand der Ausdehnung nicht erreicht ist, in der eigenen Einkehr aber bereits erreicht ist. Durch beides Bedingt ist es am Ende, was es ist und beides wäre ohne das andere gar nicht erst.
Viel wichtiger ist es daher, etwas realistisch einzustufen, was wodurch erreicht werden kann oder worin etwas angetroffen oder niemals angetroffen werden kann. Denn, dass das, was realistisch richtig ist, immer mehr ist, als etwas, selbst wenn es scheinbar auf einer höheren Stufe sich sähe, aber unrealistisch ist, zugleich also Illusorisch oder nur Vorgestellt, es somit überhaupt nicht ist und jederzeit zählt somit das Wirkliche und Realistische doch mehr oder überhaupt nur.
Deswegen ist das, was vielleicht auf einer schlichten Stufe vollzogen wird, aber es in sich angetroffen wird, egal welcher Art sogar der Stoff dahinter sei, wesentlicher, d.i. ob etwas eben auch wirklich in dem Stoff oder der Substanz nach angetroffen wird oder nicht. Denn ist es nicht darin, ist es ohnehin nicht wirklich oder eben nur in etwas anderem enthalten, als man annimmt, da nur der Bezug auf etwas, ohne etwas, seiner realistischen Einschätzung nach bestenfalls ein Abbild bleibt. Nur im Wissen, dass etwas ein Abbild ist, kann man mit dem Abbild als Abbild arbeiten, ansonsten bleibt es in der eigenen Vorstellung, denn es kann nur das wirklich bewegen, was es als Substanz bei sich führt und nur wenn es diese als solche auch auffasst oder erfasst.
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