Die Sache mit der Geschmacksache - KdU (alle)

Devino M., Sonntag, 25. Mai 2014, 22:31 (vor 3880 Tagen)

Kritik der Urteilskraft - Kant -
§ 16. Das Geschmacksurteil, wodurch ein Gegenstand unter der Bedingung eines bestimmten Begriffs für schön erklärt wird, ist nicht rein

Zwar gewinnt der Geschmack durch diese Verbindung des ästhetischen Wohlgefallens mit dem intellektuellen darin, daß er fixiert wird, und zwar nicht allgemein ist, ihm aber doch in Ansehung gewisser Zweckmäßig bestimmten Objekte Regeln vorgeschrieben werden können. Diese sind aber alsdann auch keine Regeln des Geschmacks, sondern bloß der Vereinbarung des Geschmacks mit der Vernunft, d.i. des Schönen mit dem Guten, durch welche jenes zum Instrument der Absicht in Ansehung des letztern brauchbar wird, um diejenige Gemütsstimmung, die sich selbst erhält und von subjektiver allgemeiner Gültigkeit ist, derjenigen Denkungsart unterzulegen, die nur durch mühsamen Vorsatz erhalten werden kann, aber objektiv allgemein gültig ist. Eigentlich aber gewinnt weder die Vollkommenheit durch die Schönheit, noch die Schönheit durch die Vollkommenheit; sondern, weil es nicht vermieden werden kann, wenn wir die Vorstellung, wodurch uns ein Gegenstand gegeben wird, mit dem Objekte (in Ansehung dessen was es sein soll) durch einen Begriff vergleichen, sie zugleich mit der Empfindung im Subjekte zusammen zu halten, so gewinnt das gesamte Vermögen der Vorstellungskraft, wenn beide Gemütszustände zusammen stimmen.

Ein Geschmacksurteil würde in Ansehung eines Gegenstandes von bestimmtem innern Zwecke nur alsdann rein sein, wenn der Urteilende entweder von diesem Zwecke keinen Begriff hätte, oder in seinem Urteile davon abstrahierte. Aber alsdann würde dieser, ob er gleich ein richtiges Geschmacksurteil fällete, indem er den Gegenstand als freie Schönheit beurteilete, dennoch von dem andern, welcher die Schönheit an ihm nur als anhängende Beschaffenheit betrachtet (Auf den Zweck des Gegenstandes sieht), getadelt und eines falschen Geschmacks beschuldigt werden, obgleich beide in ihrer Art richtig urteilen: der eine nach dem, was er von den Sinnen, der andere nach dem, was er in Gedanken hat. Durch diese Unterscheidung kann man manchen Zwist der Geschmacksrichter über Schönheit beilegen, indem man ihnen zeigt, daß der eine sich an die freie, der andere an die anhängende Schönheit halte, der erstere eine reines, der zweite ein angewandtes Geschmacksurteil fälle.
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Geschmacksurteil rein nach Empfindung ist etwas anderes als nach einer Kategorie oder einem Begriff zu gehen. Der Unterschied bei dem, was tatsächlich ist und dem, was sinnbildlich ist, ist dieser Thematik nahe.

Letzten Endes erklärt dieses auch, warum es einem Kenner auf einem Gebiet, schwer fallen mag, die Dinge, welche dieses Gebiet betreffen, als rein/frei von seinen Kenntnissen anzusehen. Auf der anderen Seite mag es aber sogar helfen, einem Standpunkt treu zu bleiben, ohne sich von allerlei affizieren zu lassen.

Wie so oft, zählt ein ausgewogenes Maß und allem, was Relativ ist, auch ein Recht an der Relativität einzuräumen und schon ist ein wesentlicher Schritt zur Toleranz getan.


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