Über ästhetische Geschmacksurteile - KdU - Kant (alle)

Devino M., Freitag, 16. Mai 2014, 23:09 (vor 3889 Tagen) @ Devino M.

§ 3. Das Wohlgefallen am Angenehmen ist mit Interesse Verbunden
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Wenn eine Bestimmung des Gefühls der Lust oder Unlust Empfindung genannt wird, so bedeutet dieser Ausdruck etwas ganz anderes, als wenn ich die Vorstellung einer Sache (durch Sinne, als eine zum Erkenntnisvermögen gehörige Rezeptivität) Empfindung nenne. Denn im letztern Falle wird die Vorstellung auf das Objekt, im erstern aber lediglich auf das Subjekt bezogen, und dient zu gar keinem Erkenntnisse, auch nicht zu demjenigen, wodurch sich das Subjekt selbst erkennt.

Wir verstehen aber in der obigen Erklärung unter dem Worte Empfindung eine objektive Vorstellung der Sinne; und, um nicht immer Gefahr zu laufen, mißgedeutet zu werden, wollen wir das, was jederzeit bloß subjektiv bleiben muß und schlechterdings keine Vorstellung eines Gegenstandes ausmachen kann, mit dem sonst üblichen Namen des Gefühls benennen. Die grüne Farbe der Wiese gehört zur objektiven Empfindung, als Wahrnehmung eines Gegenstandes des Sinnes; die Annehmlichkeit derselben aber zur subjektiven Empfindung, wodurch kein Gegenstand vorgestellt wird: d.i. zum Gefühl, wodurch der Gegenstand als Objekt des Wohlgefallens (welches kein Erkenntnis desselben ist) betrachtet wird.

Daß nun mein Urteil über einen Gegenstand, wodurch ich ihn für angenehm erkläre, ein Interesse an demselben ausdrücke, ist daraus schon klar, daß es durch Empfindung eine Begierde nach dergleichen Gegenständen rege macht, mithin des Wohlgefallen nicht das bloße Urteil über ihn, sondern die Beziehung seiner Existenz auf meinen Zustand, sofern er durch ein solches Objekt affiziert wird, vorausgesetzt. Daher man von dem Angenehmen nicht bloß sagt, es gefällt, sondern es vergnügt. Es ist nicht ein bloßer Beifall, den ich ihm widme, sondern Neigung wird dadurch erzeugt; und zu dem, was auf die lebhafteste Art angenehm ist, gehört so gar kein Urteil über die Beschaffenheit des Objekts, daß diejenigen, welche immer nur auf das Genießen ausgehen (denn das ist das Wort, womit man das Innige des Vergnügens bezeichnet), sich gerne alles Urteilens überheben.
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Beim ersteren Absatz dachte ich mir nur, wieso sagt Kant es mit so einer Entschlossenheit, dass bei einer Empfindung, die auf dem Gefühl basiert, auch kein Erkenntnis für das Subjekt daraus entnommen werden kann?
Wenn aber davon ausgeht, dass es um Geschmack geht und dass dieser sich doch wandelt, dann kann wohl tatsächlich kein Erkenntnis daraus gewonnen werden, außer dass man sagen kann, dass wäre nach meinem Geschmack, aber ob dieses auch Morgen noch so ist oder gar lediglich aus einer Gefühlslage entstanden ist?!
Somit kann wohl tatsächlich keine Erkenntnis daraus gewonnen werden...

Beim letzteren Absatz kann man es sich wie eine Waage mit zwei Waagschalen vorstellen, während man auf diese noch geradeso auf Augenhöhe schaut. In der einen befindet sich das Objekt der Betrachtung, in der anderen das Interesse an diesem.
Richtet man sein Hauptaugenmerk auf das Objekt und sammelt dort, das objektiv Erkannte, dann sinkt es etwas und man kann es auch von oben betrachten. Überwiegt das Interesse daran, dann schwebt die Waagschale mit dem Objekt nach oben, so, dass der Gegenstand eigentlich gar nicht mehr als der vernommen wird, der er ist. Um das Interesse sammeln sich allerlei Formen von Begehren, zum entschwebten Objekt, aber das Subjektive hat mit dem Objekt keinen Blickkontakt als solches mehr.


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