Muster und Überschattung - KdrV (alle)
Kritik der reinen Vernunft - I. Kant
Des Ersten Buchs der transzendentalen Dialektik
Erster Abschnitt - Von den Ideen überhaupt
... Plato fand seine Ideen vorzüglich in allem was praktisch ist, d.i. auf Freiheit beruht, welche ihrerseits unter Erkenntnissen steht, die ein eigentümliches Produkt der Vernunft sind. Wer die Begriffe der Tugend aus Erfahrung schöpfen wollte, wer das, was nur allenfalls als Beispiel zur unvollkommenen Erläuterung dienen kann, als Muster zu Erkenntnisquell machen wollte (wie es wirklich viele getan haben), der würde aus der Tugend ein nach Zeit und Umständen wandelbares, zu keiner Regel brauchbares zweideutiges Unding machen. Dagegen wird ein jeder inne, dass, wenn ihm jemand als Muster der Tugend vorgestellt wird, er doch immer das wahre Original bloß in seinem eigenen Kopfe habe, womit er dieses angebliche Muster vergleicht, und es bloß darnach schätzt. Dieses ist aber die Idee der Tugend, in Ansehung deren alle mögliche Gegenstände der Erfahrung zwar als Beispiele, (Beweise der Tunlichkeit desjenigen im gewissen Grade, was der Begriff der Vernunft heischt,) aber nicht als Urbilder Dienste tun. Dass niemals ein Mensch demjenigen adäquat handeln werde, was die reine Idee der Tugend enthält, beweiset gar nicht etwas Chimärisches in diesem Gedanken. Denn es ist gleichwohl alles Urteil, über den moralischen Wert oder Unwert, nur vermittelst dieser Idee möglich; mithin liegt sie jeder Annäherung zur moralischen Vollkommenheit notwendig zum Grunde, so weit auch die ihrem Grade nach nicht zu bestimmenden Hindernisse in der menschlichen Natur uns davon entfernt halten mögen.
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Was heißt denn Überschattung?
Dieser Begriff findet sich ja durchaus auch in dem wieder, wo es heißt, dass Christus Jesus von Maitreya überschattet wurde. Und leicht kann sich die naive Vorstellung diesem dadurch annähern, dass es eine negative Bedeutung in sich trüge.
Doch wenn wir uns also im Falle der vorerwähnten Ideen als Urbilder annähern, dann kann man sagen, dass dieses Urbild, was vom menschlichen Geiste, der doch formbehaftet sein mag, nicht vollends ergriffen werden kann, in allem worin das Erstere unerreicht bleibt, doch dem Letzteren dadurch einen Schatten auferlegt.
Anders gesagt, nehmen wir die Tugend als solche, wenn diese als ein Ideal nun herhält, dann wird alles, was damit in Vergleichung gesetzt wird, als zu dieser in irgend einer Weise als unzulänglich erwiesen. Denn nichts kann vollkommener sein, als das Urbild in seiner reinsten Güte. Also wird auch alles das, was damit verglichen wird, in irgend einer Weise als unvollständig befunden werden.
Somit ist genau das ja auch ein Mittel der Kirchen, wie es in negativer Weise als eine Art Machtmittel genutzt zu werden vermag. Denn es wird ein Muster hergenommen, um dem, was diesem nicht vollends genüge leisten kann, vielleicht allein schon aufgrund der einen Natur, die sich einem Ideal gegenüber sieht, etwas aufgebürdet, was es nicht zu erreichen vermag.
Denn ein Urbild nach der Weise, ist im eigentlichen Sinne negativ für das, was diesem nicht genüge leisten kann. Obwohl es an sich, das absolute Positive repräsentiert, wessen man gar nicht widersprechen könnte. Doch zeugt es nur für dies, was eben nach der gleichen Art ist, es zeugt aber stets wider jenes, was nicht diesem gleichkommt.
Also sollte man mit moralischen Urteilen doch verhalten umgehen, denn in der Weise wäre die Nutzung ja dessen negativ, wenn es eben darum nicht der Erhebung an der rechten Stelle zu dienen vermag. Denn ein Ideal sollte alle Mittel unter einem Zwecke, der Erhebung wegen, zusammenführen. Nicht wider etwas gerichtet sein, auch wenn dieses sich ohnehin kaum vermeiden ließe. Würde man aber eben dieses Ideal dazu nutzen, um in der Unzulänglichkeit zu fischen, um diese bloß zu unterwerfen, dann wird es als Mittel zur Knechtschaft herangeführt.
Und das ist die problematische Dogmatisierung gewisser Kirchlicher Lehren heutiger Zeit.
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Devino M.,
18.09.2016, 23:24
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