Sich der Glückseligkeit als würdig erweisen - KdrV (alle)

Devino M., Mittwoch, 22. März 2017, 00:19 (vor 2863 Tagen) @ Devino M.

Kritik der reinen Vernunft - I. Kant - II Transzendentale Methodenlehre - 2.H.2.A.
Von dem Ideal des höchsten Guts, als einem Bestimmungsgrunde des letzten Zwecks der reinen Vernunft

Glückseligkeit ist die Befriedigung aller unserer Neigungen, (so wohl extensive, der Mannigfaltigkeit derselben, als intensive, dem Grade, und auch protensive, der Dauer nach). Das praktische Gesetz aus dem Bewegungsgrunde der Glückseligkeit nenne ich pragmatisch (Klugheitsregel); dasjenige aber, wofern ein solches ist, das zum Bewegungsgrunde nichts anderes hat, als die Würdigkeit, glücklich zu sein, moralisch (Sittengesetz). Das erstere rät, was zu tun sei, wenn wir der Glückseligkeit wollen teilhaftig, das zweite gebietet, wie wir uns verhalten sollen, um nur der Glückseligkeit würdig zu werden.

Das erstere gründet sich auf empirische Prinzipien; denn anders, als vermittelst der Erfahrung, kann ich weder wissen, welche Neigungen dasind, die befriedigt werden wollen, noch welches die Naturursachen sind, die ihre Befriedigung bewirken können. Das zweite abstrahiert von Neigungen, und Naturmitteln sie zu befriedigen, und betrachtet nur die Freiheit eines vernünftigen Wesens überhaupt, und die notwendigen Bedingungen, unter denen sie allein mit der Austeilung der Glückseligkeit nach Prinzipien zusammenstimmt, und kann also wenigstens auf bloßen Ideen der reinen Vernunft beruhen und a priori erkannt werden.

Ich nehme an, dass es wirklich reine moralische Gesetze gebe, die völlig a priori (ohne Rücksicht auf empirische Bewegungsgründe, d.i. Glückseligkeit,) das Tun und Lassen, d.i. den Gebrauch der Freiheit eines vernünftigen Wesens überhaupt, bestimmen, und dass diese Gesetze schlechterdings (nicht bloß hypothetisch unter Voraussetzung anderer empirischen Zwecke) gebieten, und also in aller Absicht notwendig seien.
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Das Streben nach Glück und Glückseligkeit ist jedem vernünftigen und intelligibelem Wesen eigen, ja sogar vorauszusetzen. Was leichter ins Hintertreffen gelangt, ist sich dafür auch als würdig erweisen zu wollen.

Letztlich bildet dieses jedoch, sich für die Glückseligkeit als würdig zu gestalten den Grund und Boden, dass es in einem aufgehen kann. Denn ohne sich erst dafür als würdig erweisen zu wollen (ohne einsichtsvolle Sittlichkeit), wird die erstrebte Glückseligkeit meist nur darin gipfeln, Befriedigung niederer Triebe und Neigungen lediglich steigern zu wollen. Jedoch geht es dann nicht auf Seiten der Wesenhaftigkeit auf, sondern der niederen Natur nach, die man jedoch nicht wirklich selbst ist. Somit werden mit dem Genusse darnach zugleich auch die Fesseln an die niedere Natur oder auch an den Materialismus angelegt.

Achtet man darauf sich zunächst als würdig für Glückseligkeit zu machen, dann geht es in der Wesenhaftigkeit und dieser nach auf, und auch dem eigenen Wesen, oder kann es das dann jedenfalls (auch wenn wohl auf die letztliche Glückseligkeit kein Anspruch gestellt werden kann).

Dann ist es Freiheit, denn es entsteht zugleich keine Fessel und keine Abhängigkeit an irgend welche äußeren Dinge, die erst glückverheißend zugleich in ihrer Vergänglichkeit aber auch ihr Leid und Unglück mit sich zuführten.

Zudem wird es, sofern es um die direkte Bestellungsversuche eigener Glückseligkeit bloß ginge, meist in selbstsüchtigen Verhaltenszügen münden. Allein dadurch wird es nach anderen Kreisen sich ausrichten, als denen, welche zunächst auf die Ausrichtung auf die Würdigkeit (Glückseligkeit zu besitzen) ginge, denn es kann dann auch anders in Kraft gehen...


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