Erweis von Wirklichkeit - KdrV (alle)

Devino M., Dienstag, 16. August 2016, 00:37 (vor 3244 Tagen) @ Devino M.

Kritik der reinen Vernunft - I. Kant - 2B.2H.3A 4.

- Widerlegung des Idealismus -

Das bloße, aber empirisch bestimmte, Bewusstsein meines eigenen Daseins beweiset das Dasein der Gegenstände im Raum außer mir.

Ich bin mir meines Daseins als in der Zeit bestimmt bewusst. Alle Zeitbestimmung setzt etwas Beharrliches in der Wahrnehmung voraus. Dieses Beharrliche aber kann nicht eine Anschauung in mir sein. Denn alle Bestimmungsgründe meines Daseins, die in mir angetroffen werden können, sind Vorstellungen, und bedürfen, als solche, selbst ein von ihnen unterschiedenes Beharrliches, worauf in Beziehung der Wechsel derselben, mithin mein Dasein in der Zeit, darin sie wechseln, bestimmt werden könnte. Also ist die Wahrnehmung dieses Beharrlichen nur durch ein Ding außer mir und nicht durch die bloße Vorstellung eines Dinges außer mir möglich. Folglich ist die Bestimmung meines Daseins in der Zeit nur durch die Existenz wirklicher Dinge, die ich außer mir wahrnehme, möglich.
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Das Bewusstsein meiner selbst in der Vorstellung "Ich" ist gar keine Anschauung, sondern eine bloß intellektuelle Vorstellung der Selbsttätigkeit eines denkenden Subjekts. Daher hat dieses Ich auch nicht das mindeste Prädikat der Anschauung, welches, als beharrlich, der Zeitbestimmung im inneren Sinne zum Korrelat dienen könnte: wie etwa Undurchdringlichkeit an der Materie, als empirischer Anschauung, ist.
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Daraus, dass die Existenz äußerer Gegenstände zur Möglichkeit eines bestimmten Bewusstseins unserer selbst erfordert wird, folgt nicht, dass jede anschauliche Vorstellung äußerer Dinge zugleich die Existenz derselben einschließe, denn jene kann gar wohl die bloße Wirkung der Einbildungskraft (in Träumen sowohl als im Wahnsinn) sein; sie ist es aber bloß durch die Reproduktion ehemaliger äußerer Wahrnehmungen, welche, wie gezeigt worden, nur durch die Wirklichkeit äußerer Gegenstände möglich sind.
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Alles Wirkliche ist möglich; hieraus folgt natürlicher Weise, nach den logischen Regeln der Umkehrung, der bloß partikulare Satz: einiges Mögliche ist wirklich, welches denn so viel zu bedeuten scheint, als: es ist vieles möglich, was nicht wirklich ist.
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Ich will diesen Ausdruck hier nicht in der Bedeutung nehmen, welche ihm einige neuere philosophische Verfasser, wider den Sinn der Mathematiker, denen er doch eigentlich angehört, gegeben haben, nämlich: dass Postulieren so viel heißen solle, als einen Satz für unmittelbar gewiss, ohne Rechtfertigung, oder Beweis ausgeben; denn, wenn wir das bei synthetischen Sätzen, so evident sie auch sein mögen, einräumen sollten, dass man sie ohne Deduktion, auf das Ansehen ihres eigenen Ausspruchs, dem unbedingten Beifalle aufheften dürfe, so ist alle Kritik des Verstandes verloren, und, da es an dreisten Anmaßungen nicht fehlt, deren sich auch der gemeine Glaube, (der aber kein Kreditiv ist) nicht weigert; so wird unser Verstand jedem Wahne offen stehen, ohne dass er seinen Beifall denen Aussprüchen versagen kann, die, obgleich unrechtmäßig, doch in eben demselben Tone der Zuversicht, als wirkliche Axiomen eingelassen zu werden verlangen. Wenn also zu dem Begriffe eines Dinges eine Bestimmung a priori synthetisch hinzukommt, so muss von einem solchen Satze, wo nicht ein Beweis, doch wenigstens eine Deduktion der Rechtmäßigkeit seiner Behauptung unnachlaßlich hinzugefügt werden.

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Es wird oft und gern nach der Wahrheit Ausschau gehalten, sei es auch beim Lesen von Literatur, die einem die eigenen Ansichten lediglich bestätigt, doch keineswegs in Zweifel zieht, so, dass man beliebig darin fortschreiten könnte, ohne dass diese durch Hinterfragung überhaupt auf einen Wahrheitsgehalt hin einer Prüfung unterzogen werden. Denn ist es nicht selbiges, worauf auch allerlei Schmeichelei abzielt oder worin sie erfolgreich ist?

Zwar wird man mit bloßen Behauptungen, wenn evident und mit hinreichend Überzeugung vorgetragen, durchaus Erfolg erzielen, bei allen, die Anteil am selben oder ähnlichem nehmen, doch ist auch damit noch keinerlei Wahrheit erwiesen, sondern eben nur das, worin ein Anteil mit besteht. Und ähnlich dem, dass nur eine Bestätigung vielleicht hinsichtlich eigener Überzeugungen und des Standpunkts gesucht werden mag, aber nicht die Wahrheit an sich, und so kann zumeist auch nur dass gefunden werden, wonach gesucht wurde.

Also muss am Wahrheitsanspruch mehr nur liegen, als sich selber in irgend etwas bestätigt zu suchen. Die Ansätze nach Kant sind wirklich gut, denn um etwas als Erwiesen zu preisen, reicht es nicht aus, sich selber darin nur zu überzeugen oder ggf. andere (vor allem eben ähnlicher Gesinnung) nur quasi in innerem Beifall zur Einstimmung mitzureißen, vor allem dann, wenn alle bisherigen Ansichtigen bloß Bestätigung finden.

Durchaus also kann man einige der Ansätze zusammenfassen:
1. Sowohl man selbst wird durch dieses, was außer einem im Raume liegt und gleicher Beharrlichkeit ist und in Wechselwirkung dazu, zum Erweise kommen, dass sowohl Gegenstände durch einen ihr Dasein erwiesen bekommen, wie man selbst durch diese zu jenem an der Stelle kommt.

2. Durch die Reproduktion der Wahrnehmung und Wahrnehmbarkeit an sich (also auch für andere) kann etwas über den Stand der Einbildung gehoben werden.

3. Kritische Überprüfung ist nicht verkehrt, ja sogar erforderlich, um die Wahrheit, die angenommen wird, auch einer Prüfung zu unterziehen. Da lediglich Evidenz und das überzeugende postulieren, ja selbst wenn viele oder gar die Mehrheit sich davon anstoßen ließe, jedoch nicht zum Fortschritte, sondern nur weil eben der eigene Standpunkt bezeugt wird, dieses noch keinerlei Erweis einer Wahrheit damit einführt (es also bestenfalls nur widerspiegelt, worin sich in einer Art und Weise eine Mehrheit vorübergehend vorfindet).


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