Bestimmungsgründe und Kausalitätsabfolgen - KdpV (alle)

Devino M., Freitag, 06. Mai 2016, 23:57 (vor 3171 Tagen) @ Devino M.

Kritik der praktischen Vernunft - I. Kant - 1.B.3.H.b

Der Begriff der Kausalität, als Naturnotwendigkeit, zum Unterschiede der selben, als Freiheit, betrifft nur die Existenz der Dinge, sofern sie in der Zeit bestimmbar ist, folglich als Erscheinungen, im Gegensatze ihrer Kausalität, als Dinge an sich selbst. Nimmt man nun die Bestimmungen der Existenz der Dinge in der Zeit für Bestimmungen der Dinge an sich selbst, (welches die gewöhnlichste Vorstellungsart ist,) so lässt sich die Notwendigkeit im Kausalverhältnisse mit der Freiheit auf keinerlei Weise vereinigen; sondern sie sind einander kontradiktorisch entgegengesetzt. Denn aus der ersteren folgt: dass eine jede Begebenheit, folglich auch jede Handlung, die in einem Zeitpunkte vorgeht, unter der Bedingung dessen, was in der vorhergehenden Zeit war, notwendig sei. Da nun die vergangene Zeit nicht mehr in meiner Gewalt ist, so muss jede Handlung, die ich ausübe, durch bestimmende Gründe, die nicht in meiner Gewalt sind, notwendig sein, d.i. ich bin in dem Zeitpunkte, darin ich handle, niemals frei. Ja, wenn ich gleich mein ganzes Dasein als unabhängig von irgend einer fremden Ursache (etwa von Gott) annähme, so dass die Bestimmungsgründe meiner Kausalität, so gar meiner ganzen Existenz, gar nicht außer mir wären: so würde dieses jene Naturnotwendigkeit doch nicht im mindesten in Freiheit verwandeln. Denn in jedem Zeitpunkte stehe ich doch immer unter der Notwendigkeit, durch das zum Handeln bestimmt zu sein, was nicht in meiner Gewalt ist, und die a parte priori unendliche Reihe der Begebenheiten, die ich immer nur, nach einer schon vorherbestimmten Ordnung, fortsetzen, nirgend von selbst anfangen würde, wäre eine stetige Naturkette, meine Kausalität also niemals Freiheit.
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Ebenso, wie die Abfolge, in was auch immer, sofern man die Ursache nicht ausschließlich selbst gegeben hat, letztlich gar nicht von einem bestimmt werden kann, so kann auch die größte Freiheit als Mensch vor allem wohl nur darin liegen, selbst Knecht der eignen Seele zu sein. Andernfalls ist man bloß Knecht von irgend etwas sonst und weiß es meist nur nicht, und überzeugt sich leicht darin, dass gar Neigungen einem die Freiheit vorgeben würden.

Auch Narr zu sein und sich ganz närrisch geben, kann vielleicht mehr Freiheit heißen, denn sich von Dogmen bestimmen zu lassen, die nicht mit der Eigenheit und Natur der Seele überhaupt vereinbar wären, da sie eben jener selbst fremd sein müssen, indem, worin diese sich dank ihrem Naturell gar nicht antreffen ließe.

Es gehört gar nicht viel dazu, und sehr häufig, mag es am zu viel von etwas, als an zu wenig, liegen. Denn sicher kann gesagt werden, dass die Seele von äußeren Dingen nicht so sehr abhängig sein kann, wie diese von dieser. Seelentätigkeit ist daher in erster Linie (darin zeigt sich auch die Arbeit mit der eignen Seele) eine "stille Arbeit".

Von daher entspricht es sicherlich nicht der Natur der Seele, sich ganz mächtig und toll zu geben, denn welchen Zugewinn soll es dem bringen, worin etwas nicht ist? Sofern wie etwas nicht durch das Äußere bedingt wird, kann es dem auch nicht hingegeben sein, ist es dem hingegeben, so wird es nicht durch das bedingt und bestimmt, wessen etwas nicht hingegeben sein kann.

Somit entspräche es eher, durch etwas Drittes sich beherrschen zu lassen oder vielleicht auch einem Verlangen in der Erscheinungswelt zu existieren u.dgl.m., was zu diesem Effekt führen mag (sich toll vorzukommen u.ä.), aber gerade weil es als toll erfahren wird, kann es nicht von dem abstammen, was jenem eigen wäre, denn die Inhärenz selbst hat keine beeindruckende Wirkung auf sich selber, da etwas ja eine Wirkung auf etwas anderes haben muss, um so in die Erfahrung (d.i. sich beherrschen zu lassen) dann zu kommen.

Somit wählt man die Freiheit, oder etwas, worin man sein kann, aber nicht muss. So auch, wenn man schon in etwas reingeht, dann sollte man darauf achten, die Ursache nicht in dem allein zu sehen, was nur partiell ist, denn dann wird auch das, was daraus hervorgeht partiell sein u.ä., also ganz nach der Kausalität die daraus gemäß dem, wie es ist, werden kann.


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