Die Tiefen des menschlichen Herzens - MdS (alle)
Die Metaphysik der Sitten - I. Kant - Tugendlehre § 22
... Die Tiefen des menschlichen Herzens sind unergründlich.
Wer kennt sich genugsam, wenn die Triebfeder zur Pflichtbeobachtung von ihm gefühlt wird, ob sie gänzlich aus der Vorstellung des Gesetzes hervorgehe, oder ob nicht manche andere, sinnliche Antriebe mitwirken, die auf den Vorteil (oder zur Verhütung eines Nachteils) angelegt sind und bei anderer Gelegenheit auch wohl dem Laster zu Diensten stehen könnten?
Was aber die Vollkommenheit als moralischen Zweck betrifft, so gibt's zwar in der Idee (objektiv) nur eine Tugend (als sittliche Stärke der Maximen), in der Tat (subjektiv) aber eine Menge derselben von heterogener Beschaffenheit, worunter es unmöglich sein dürfte, nicht irgend eine Untugend (ob sie gleich eben jener wegen den Namen des Lasters nicht zu führen pflegen) aufzufinden, wenn man sie suchen wollte. Eine Summe von Tugenden aber, deren Vollständigkeit oder Mängel die Selbsterkenntnis uns nie hinreichend einschauen lässt, kann keine andere als unvollkommene Pflicht, vollkommen zu sein, begründen.
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Also sind alle Pflichten gegen sich selbst in Ansehung des Zwecks der Menschheit in unserer eigenen Person nur unvollkommene Pflichten.
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Es ist sicher ein Unterschied, dem Gesetz bloß zu folgen oder es zu erfüllen, ob man nur der Schwäche zu entfliehen sucht, indem man etwas in den Vordergrund rückt, wonach man strebt, oder ob man es aus sich heraus einfach lebt. So gibt es auch einen Unterschied, ob etwas in einem ist, oder aus und durch einen kommt...
So könnte man wohl sagen, je mehr man davon selbst beeindruckt wird oder berührt und so auch davon bewegt wird, desto weniger ist es wohl einem eigen, auch nicht, wenn man davon erfüllt sein mag und es aus einem quillt, muss es einem eigen sein. Vielmehr dann, wenn man es selber nicht wesentlich mitbekommt, dann ist es eher einem eigen, aber man davon nicht wirklich erfüllt, sondern im gewissen Sinne ist es nur Teil von einem, ohne das man daran direkt selber Anteil nimmt, außer mehr als ein Spiegelbild durch andere.
Als Mensch, in Ansehung eines Zwecks der Menschheit, wird man keine tragendere Pflicht einnehmen können, als einer solchen, für die Menschheit, welche also mehr als sich selber bloß zukommt. Aber ist dies an Vollkommenheit geknüpft?
In dem Sinne ja schon, dass man als Mensch, ja nicht abgesondert von der Menschheit sein kann, ohne noch als Mensch zu zählen, denn den Menschen macht ja die Menschheit an sich aus. Daher ist auch mit der Menschheit verknüpft und jene um dieses ergänzt, was von jedem Menschen vollbracht wird, aber dadurch Erstere ja nicht weniger als die Summe aller Menschen, somit auch ist hinsichtlich und in Verbindung zur Menschheit, keiner Vollkommener, als das, was zur Menschheit gehört.
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