Hin zum edlen Gemüt - KdU (alle)

Devino M., Samstag, 29. August 2015, 04:01 (vor 3421 Tagen) @ Devino M.

Kritik der Urteilskraft - I. Kant
§ 83. Von dem letzten Zwecke der Natur als eines teleologischen Systems

Die Geschicklichkeit kann in der Menschengattung nicht wohl entwickelt werden, als vermittelst der Ungleichheit unter Menschen; da die größte Zahl die Notwendigkeit des Lebens gleichsam mechanisch, ohne dazu besonders Kunst zu bedürfen, zur Gemächlichkeit und Muße anderer, besorget, welche die minder notwendigen Stücke der Kultur, Wissenschaft und Kunst, bearbeiten, und von diesen in einem Stande des Drucks, saurer Arbeit und wenig Genusses gehalten wird, auf welche Klasse sich denn doch manches von der Kultur der höheren nach und nach auch verbreitet. Die Plagen aber wachsen im Fortschritte derselben (dessen Höhe, wenn der Hang zum Entbehrlichen schon dem Unentbehrlichen Abbruch zu tun anfängt, Luxus heißt) auf beiden Seiten gleich mächtig, auf der einen durch fremde Gewalttätigkeit, auf der andern durch innere Ungenügsamkeit; aber das glänzende Elend ist doch mit der Entwicklung der Naturanlangen in der Menschengattung verbunden, und der Zweck der Natur selbst, wenn es gleich nicht unser Zweck ist, wird doch hiebei erreicht. Die formale Bedingung, unter welcher die Natur diese ihre Endabsicht allein erreichen kann, ist diejenige Verfassung im Verhältnisse der Menschen untereinander, wo dem Abbruche der einander wechselseitig widerstreitenden Freiheit gesetzmäßige Gewalt in einem Ganzen, welches bürgerliche Gesellschaft heißt, entgegengesetzt wird; denn nur in ihr kann die größte Entwicklung der Naturanlagen geschehen.
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Von selbst fällt einem wohl nur das in den Schoß, was einem von der Natur zukommt oder was man bereits entwickelt hatte. Was mehr zählt, ist aber wohl das, woran man ist es zu entwickeln. Für Mancherlei hiervon wird ein gewisser (sagen wir konstruktiver) Druck sogar erforderlich sein, entweder, weil man freiwillig sich an Derlei nicht heranwagen würde, oder aber, weil die Hervorbringung allen aufzubringenden Einsatz erfordert ggf. auch weil der Umfang Dessen, es schon naturgemäß und evtl. im Verhältnis, mit sich bringt.

D.h. sich bis zu einem gewissen Grade zwar quälen, zumindest um über die bloße Natur und Naturbedingungen hinaus zu kommen und um über allen gar mechanischen Müßiggang hinauszugehen, um so überhaupt erst Anspruch auf Sittlichkeit zwar stellen zu können, ohne diesen aber zu erheben, eben so weit, das ein Gut auch als solches auszumachen ist und dieses dann auch noch weiter zu geben, darin wird sich ein edles Gemüt wohl kenntlich machen.

Ähnlich der Kunst also, so die Selbstentwicklung und Verwirklichung mindestens ein aktives Hinarbeiten oder Streben zum Übernaturellem erfordert und kein passives Zustandekommen zufällig entstehen wird, allein naturbedingt schon nicht, denn unwahrscheinlich wäre es sonst, überhaupt sagen zu können, es wäre von einem oder man wäre dieses selbst oder es hätte mit einem zu tuen...


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