Über die ästhetische Erziehung des Menschen - 25. Brief (alle)

Devino M., Sonntag, 05. Januar 2014, 18:53 (vor 4084 Tagen)

Über die ästhetische Erziehung des Menschen - 25. Brief - F. Schiller
Solange der Mensch, in seinem ersten physischen Zustande, die Sinnenwelt bloß leidend in sich aufnimmt, bloß empfindet, ist er auch noch völlig eins mit derselben, und eben weil er selbst bloß Welt ist, so ist für ihn noch keine Welt. Erst wenn er in seinem ästhetischen Stande sie außer sich stellt oder betrachtet, sondert sich seine Persönlichkeit von ihr ab, und es erscheint ihm eine Welt, weil er aufgehört hat, mit derselben eins auszumachen.

Die Betrachtung (Reflexion) ist das erste liberale Verhältnis des Menschen zu dem Weltall, das ihn umgibt. Wenn die Begierde ihren Gegenstand unmittelbar ergreift, so rückt die Betrachtung den ihrigen in die Ferne und macht ihn eben dadurch zu ihrem wahren und unverlierbaren Eigentum, daß sie ihn vor der Leidenschaft flüchtet. Die Notwendigkeit der Natur, die ihn im Zustand der bloßen Empfindung mit ungeteilter Gewalt beherrschte, läßt bei der Reflexion von ihm ab, in den Sinnen erfolgt ein augenblicklicher Friede, die Zeit selbst, das ewig Wandelnde, steht still, indem des Bewußtseins zerstreute Strahlen sich sammeln, und ein Nachbild des Unendlichen, die Form, reflektiert sich auf dem vergänglichen Grunde. Sobald es Licht wird in dem Menschen, ist auch außer ihm keine Nacht mehr; sobald es stille wird in ihm, legt sich auch der Sturm in dem Weltall, und die streitenden Kräfte der Natur finden Ruhe zwischen bleibenden Grenzen. Daher kein Wunder, wenn die uralten Dichtungen von dieser großen Revolution in der Außenwelt reden und den Gedanken, der über die Zeitgesetze siegt, unter dem Bilde des Zeus versinnlichen, der das Reich des Saturnus endigt.
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Es mag schwierig sein, sich selbst zu genügen, solange das Bewusstsein durch mangelnden rechten Umgang verstreut wird. D.h. auch, dass die Sache ihren Einfluss aufrecht erhält, bis durch Reflektion hierzu ein Abbild in einem geschaffen ist, wodurch mit der Sache in rechter Weise umgegangen wird und keine Abhängigkeiten mehr entstehen.

So lange man in sich, mit etwas in Konflikt steht, ist das außen durch das Selbst, welches alles umfasst, mit einbezogen und reagiert auf die eine oder andere Weise darauf d.h. nimmt am Kampfgeschehen Anteil. Sobald der innere Kampf beendet ist, gibt es auch im außen keinen Kampf mehr, denn idR. benötigt jeder Kampf einen Kampflatz und einen umkämpften Gegenstand/Konflikt.

Sich zu läutern, hat also notwendig Auswirkungen auf das Umfeld und doch muss nicht mehr nach außen gegeben werden, als notwendig, um eine Sache zu ordnen. Denn wozu den langen Weg machen und das, was weniger schön ist, ausdehnen? Deswegen geht's auch immer um die Sache und nicht um die Person und zwischen beidem zu unterscheiden!


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