Urteilskraft - I. Kant (alle)

Devino M., Dienstag, 29. April 2014, 00:44 (vor 3667 Tagen) @ Devino M.

Kritik der Urteilskraft - Immanuel Kant - Einleitung

II. Von dem System der obern Erkenntnisvermögen, das der Philosophie zum Grunde liegt

Allein Urteilskraft ist ein so besonderes, gar nicht selbständiges Erkenntnisvermögen, daß es weder, wie der Verstand, Begriffe, noch, wie die Vernunft, Ideen, von irgend einem Gegenstande gibt, weil es ein Vermögen ist, bloß unter anderweitig gegebene Begriffe zu subsumieren. Sollte also ein Begriff oder Regel, die ursprünglich aus der Urteilskraft entsprängen, statt finden, so müßte es ein Begriff von Dingen der Natur sein, so fern diese sich nach unserer Urteilskraft richtet, und also von einer solchen Beschaffenheit der Natur, von welcher man sich sonst gar keinen Begriff machen kann, als nur daß sich ihre Einrichtung nach unserem Vermögen richte, die besondern gegebenen Gesetze unter allgemeinere, die doch nicht gegeben sind, zu subsumieren; mit anderen Worten, es müßte der Begriff von einer Zweckmäßigkeit der Natur zum Behuf unseres Vermögens sein, sie zu erkennen, so fern dazu erfordert wird, daß wir das Besondere als unter dem Allgemeinen enthalten beurteilen und es unter den Begriff einer Natur subsumieren können.

Ein solcher Begriff ist nun der einer Erfahrung als Systems nach empirischen Gesetzen. Denn obzwar diese nach transzendentalen Gesetzen, welche die Bedingung der Möglichkeit der Erfahrung überhaupt enthalten, ein System ausmacht: so ist doch von empirischen Gesetzen eine so unendliche Mannigfaltigkeit und eine so große Heterogenität der Formen der Natur, die zur besondern Erfahrung gehören würden, möglich, daß der Begriff von einem System nach diesen (empirischen) Gesetzen dem Verstande ganz fremd sein muß, und weder die Möglichkeit, noch weniger aber die Notwendigkeit eines solchen Ganzen begriffen werden kann. Gleichwohl aber bedarf die besondere, durchgehends nach beständigen Prinzipien zusammenhängende Erfahrung auch diesen systematischen Zusammenhang empirischer Gesetze, damit es für die Urteilskraft möglich werde, das Besondere unter das Allgemeine, wie wohl immer noch empirische und so fort an, bis zu den obersten empirischen Gesetzen und denen ihnen gemäßen Naturformen zu subsumieren, mithin das Aggregat besonderer Erfahrungen als System derselben zu betrachten; denn ohne diese Voraussetzung kann kein durchgängig gesetzmäßiger Zusammenhang, d.i. empirische Einheit derselben statt finden.

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Daraus entnehmen wir, dass Urteilskraft nicht etwas einzeln für sich stehendes ist, sondern die Fähigkeit, etwas in einem Gesamtzusammenhang zuordnen zu können. D.h. es im Verhältnis zum nächst Höheren oder Umfassenderen erkennen zu können. Hinzu kommt, dass es unter einer Gesetzmäßigkeit von allgemeiner Wirkung steht und zu einem Teil eigener Erfahrung gemacht werden kann.


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