Das Naheliegende und Fernere - Seneca (alle)

Devino M., Sonntag, 16. Juni 2019, 22:50 (vor 1775 Tagen) @ Devino M.

Seneca: Das Leben ist kurz [De brevitate vitae] 15

Ehrentitel, Denkmäler und was sonst die Ehrsucht durch Beschlüsse verordnet oder durch Bauwerke errichtet hat, das stürzt schnell wieder ein, alles zerstört und vernichtet die Länge der Zeit. Was aber die Weisheit geheiligt hat, das kann keinen Schaden erleiden. Kein Zeitalter wird es vernichten, keines mindern. Die folgende und auch jegliche noch ferne Zeit wird etwas zur Verehrung beitragen, denn der Neid zielt nur auf das Naheliegende, während wir das Fernere unvoreingenommen bewundern.
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Tatsächlich ist es oft so, dass diejenigen die in kein direktes Verhältnis gesetzt werden können und einer anderen Zeitepoche angehören, unvoreingenommen bewundert werden. Jedoch diejenigen, die sich unter uns vorfinden, eher beneidet werden oder zu Rivalen erklärt.

Sicher kann man anführen, dass die Lebenden auch irgendeine Art von Körperlichkeit auf verschiedenen Ebenen einbringen [und somit auch Raum einnehmen und beanspruchen], während es bei denen im Jenseits nur noch zarte Seelenempfindungen sind. So dass allerlei Körperlichkeit davon weitestgehend unbeeinflusst bleibt. Was auch erklärt, warum die wenigsten einen Kontakt zwischen dem Diesseits und Jenseits herstellen können. Es geht alles ein wenig aneinander vorbei. Es erfordert also von den sogenannten Lebenden zunächst, dass sie von der Seele her agieren. Denn noch viel weniger von denen im Jenseits, sind in der Lage einen Körper zu manifestieren.

Allerdings nutzt es denen nichts mehr, welche umgebracht wurden, wenn man ihnen danach Denkmäler aufstellt. Das Göttliche gehört verehrt, weniger das Sterbliche. Dennoch ein achtungsvoller Umgang ist durchaus angebracht und sollte kaum zu viel verlangt sein, auch beim Naheliegenden.


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