Erziehung der Massen - Le Bon (alle)

Devino M., Sonntag, 07. April 2019, 12:53 (vor 1839 Tagen) @ Devino M.

Psychologie der Massen - Gustave Le Bon
3.B.5.K. Die Parlamentsversammlungen

Kein Sinn für Gesetzlichkeit, kein Geist der Ordnung, nur Furcht und Illusionen ohne Maß: Bauer und Kind sind darin gleich. Ihre Ruhe wetteifert mit ihrer Ungeduld. Ihre Wildheit ist ebenso groß wie ihre Folgsamkeit. Das ist die Eigentümlichkeit eines unreifen Temperaments und des Mangels an Erziehung. Nichts setzt sie in Erstaunen, alles verwirrt sie. Zitternd, feige, und zugleich unverzagt und heldenhaft werden sie sich in die Fallen werfen und doch vor einem Schatten zurückweichen.

Wirkungen und Beziehungen der Dinge sind ihnen unbekannt. Ebenso schnell entmutigt wie erregt, sind sie allen Schrecken ausgesetzt, entweder himmelhoch jauchzend oder zu Tode betrübt, und haben nie den nötigen Grad und das passende Maß. Beweglicher als das Wasser, spiegeln sie alle Farben wider und nehmen alle Formen an.
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Nimmt man Vegetarismus als Beispiel, nutzt es da etwas der Masse, wenn ein Europäer sich zum Vegetarismus bekennt, ohne tiefere Einsicht? Wenn er nur aufgrund eines Trends z.B. zum Vegetarier wird? Denn es ist durchaus ein Unterschied, ob es bis zu einem gewissen Grad in Kultur bereits verankert ist, oder wenn jemand außerhalb der einen umgebenden Kultur auf etwas anderes setzt.

Es ist nämlich etwas anderes, wenn sich einer hinsetzt, auf Fleisch verzichtet, und sich zugleich einredet, er wäre dadurch heiliger, oder er wäre dadurch besser als die Menschen um ihn es sind; und wenn sich einer so in der Weise absondert. Etwas anderes ist es, wenn es in einer Tradition steht und man aus der Überzeugung der Tradition heraus auf Fleisch zur eigenen Ernährung verzichtet, ohne das in ein Verhältnis zu anderen Menschen zu stellen, welche sich von Fleisch ernähren.

In Europa könnte man das von einem Tag auf den anderen gar nicht umsetzen, dass alle plötzlich auf Fleisch verzichten (selbst wenn sie es wollten). Das würde von der Infrastruktur bereits problematisch. Wenn sich einer also in Europa nicht abzusondern oder abgehoben sehen möchte, oder auch nicht bloß eines Trends wegen auf Vegetarismus setzen, dann könnte der größte Nutzen womöglich sein, während man Fleisch isst, sich zu vergegenwärtigen und an der Einsicht zu arbeiten, dass es besser wäre kein Fleisch zu essen. Bis einen die Einsicht davon überzeugt und tatsächlich abhält.

Jedenfalls könnte man damit tatsächlich die erforderliche Einsicht, welche der Masse abgeht, dieser zuführen. Statt sich seines Egos zu erfreuen, wenn man sich anders gibt, als andere um sich. Denn manche denken schnell, oh wunder, was sie da tun, und welch weltbewegendes Ereignis es sei, während sie tatsächlich nur mit sich selber befasst sind. Andererseits, gerade wenn man nicht so denkt, sondern sich einer Sache vollständig hingibt, können weltbewegende Ereignisse daraus entstehen, meist ohne dass man es ahnt oder mitbekommt. Da es oft eine Frage dessen ist, wie weit man sich nur selber beeindrucken möchte und etwas bereits für sich gebraucht, oder wie weit man es für die Allgemeinheit macht, ohne selber nur Nutznießer davon zu sein.


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