Grundlegung einer Zivilisation - Le Bon (alle)

Devino M., Sonntag, 24. März 2019, 17:21 (vor 1832 Tagen)

Psychologie der Massen - Gustave Le Bon
3.B.5.K. Die Parlamentsversammlungen

Wenn wir in großen Zügen die Entstehung der Größe und des Niedergangs der Kulturen der Vergangenheit betrachten, so sehen wir folgendes:

Beim Erwachen dieser Kulturen einen zusammen gewehten Haufen von Menschen verschiedenster Abstammung, zufällig vereinigt durch Wanderungen, Überfälle und Eroberungen. Von verschiedenem Blut, verschiedener Sprache und ebenso verschiedener Anschauungen, hält diese Menschen kein andres Band zusammen als das halb anerkannte Gesetz eines Häuptlings. In ihrem verworrenen Haufen finden sich die psychologischen Merkmale der Massen im höchsten Maße. Sie zeigen den Zusammenhang für den Augenblick, den Heldenmut, die Schwächen, die Triebhandlungen und die Gewalttätigkeiten. Nichts ist bei ihnen von Dauer. Sie sind Barbaren.

Dann vollendet die Zeit ihr Werk. Gleichheit der Umgebung, wiederholte Kreuzungen, das Bedürfnis eines Gemeinschaftslebens fangen langsam an zu wirken. Die verschiedenen Bestandteile des Haufens beginnen zu verschmelzen und eine Rasse zu bilden, d.h. ein Aggregat mit gemeinsamen Eigenschaften und Gefühlen, die sich durch Vererbung immer mehr befestigen. Die Masse ist ein Volk geworden, und dies Volk kann sich aus der Barbarei erheben.

Es wird sie aber erst dann völlig hinter sich haben, wenn es sich nach langen Anstrengungen, unaufhörlich wiederholten Kämpfen und unzähligen Ansätzen ein Ideal errungen hat. Die Beschaffenheit dieses Ideals ist nicht wichtig. Ob es der Kultus Roms, die Macht Athens oder der Triumph Allahs ist, es wird imstande sein, allein einzelnen, der Rasse, die sich bilden will, vollkommene Einheit des Fühlens und Denkens zu verleihen.
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Man kann wohl annehmen und auch sagen, dass es bisher keine Menschliche Zivilisation als solches gibt. Denn wenn es diese gäbe, dann würde ein Einheitsempfinden da sein, und es gäbe dann gar nicht mehr etwas, was diese oder jene betrifft, sondern zunächst dasjenige, was alle betrifft.

Zum einen fehlen da jegliche Ansätze über das bloße Nationale Denken und Empfinden hinauszugehen. Zum anderen steht einem Einheitsempfinden und der Identität als der einen Menschheit zu viel Ungerechtigkeit und ungleichmäßige Verteilung der Güter im Weg.

Und nimmt man diejenigen die sich als kosmopolitisch heute verstehen, dann ist das vorhandene Ideal immer noch nur dasjenige, einer exotisch anmutenden Denkweise Einzelner. Vermutlich würde sich der bestimmte Typus von Einzelnen gar nicht mehr darin einfinden, wenn es nicht mehr als exotisch gelten und anstelle dessen sich ein breites Einheitsempfinden breit machen würde.


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