Oberhand über Naturkräfte - Seneca (alle)

Devino M., Sonntag, 24. März 2019, 12:10 (vor 1832 Tagen) @ Devino M.

Seneca: Trostschrift an die Mutter Helvia [Consolatio ad Helviam matrem]

Dass an der Armut nichts Schlimmes ist, sieht jeder ein, den der Wahnsinn der alles vernichtenden Habgier und Genusssucht nicht gepackt hat. Wie wenig nämlich ist für den Lebensunterhalt des Menschen wirklich nötig: Wer könnte daran Mangel leiden, wenn er ein einigermaßen guter Mann ist! Was freilich mich betrifft, so ist mir bewusst, dass ich nicht meinen Reichtum, sondern meinen Pflichtenkreis verloren habe. Die Bedürfnisse des Körpers sind gering: Er will nicht frieren, er will Nahrung und Trank, um nicht zu hungern und nicht zu dürsten; was man darüber hinaus begehrt, dient nur den Lastern, nicht dem tatsächlichen Bedarf.
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Auf der einen Seite, wenn jemand nie irgendwelche Annehmlichkeiten hatte, ist er mit vielen Dingen auch nie versucht worden. D.h. auch, dass er dann auf diese Dinge gar nicht verzichtet, sondern dieser Dinge entbehrt. Verzicht ist also erst dann da, wenn man diese Dinge bereits in sich irgendwo aufgenommen hat.

Allerdings ist es besser, wenn man sich selbst soweit drosselt, dass man nicht mehr zur Wahl hat, als man damit halbwegs umzugehen weiß. Ansonsten erhält in den meisten Fällen die materielle Natur die Oberhand. Es zählt natürlich nicht nur das dazu, dass man etwas erreicht hat, sondern auch die potenziellen Möglichkeiten, vor allem wenn diese in Aktivität gebracht werden. Also wenn die materiellen Naturkräfte in einem dazu angeregt werden, um auf ein bestimmtes Ziel hinzuwirken.

Für den der gesunden Geistes ist, sind viele Dinge nur allzu banal. Doch ist jemand mit irgend etwas bereits auf eine schiefe Bahn geraten oder sehr unausgewogen unterwegs, dann sind oft die einfachsten Mittel und jede Einsicht von großem Wert. Und ist erst einmal ein Tal durchschritten, so ist es ähnlich mit den erworbenen Dingen, es ist dann irgendwann kein Entbehren sondern ein Verzichten möglich. Nur letzteres kann als ein dargebrachtes Opfer gegeben werden.


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