Was heißt Selbstlosigkeit? - Seneca (alle)

Devino M., Samstag, 23. Februar 2019, 11:16 (vor 1888 Tagen)

Seneca - Briefe an Lucius 5

Davor aber warne ich dich, dass du nicht nach Art der Leute, die nicht auf inneren Fortschritt aus sind, sondern nur auffallen wollen, durch dein Äußeres oder deinen Lebensstil Aufsehen erregst. Vermeide derbe Kleidung, ungepflegtes Haar, struppigen Bart, erklärten Hass auf das Geld, ein Matratzenlager auf der Erde und was eitler Ehrgeiz verkehrterweise sonst noch im Gefolge hat. Gerade das Etikett "Philosophie" ruft schon genügend Aversionen hervor, selbst wenn man sie zurückhaltend betreibt. Was wäre erst, wenn wir auch noch anfangen, die übliche Lebensweise unserer Umwelt aufzugeben? Innen sei alles anders - unser äußeres Auftreten passe sich dem Volke an!
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Nehmen wir einen Philosophen, der stellt sich vor ein paar andere hin, geht an eine Tafel vor ihnen und schreibt etwas. Wenn die Leute wissen, "aha, es ist ein Philosoph", ist eine gewisse Erwartungshaltung da. Doch was kann in dem Moment in einem Philosophen vor sich gehen? Es kann passieren, dass er plötzlich nicht einmal die Rechtschreibung mehr hinbekommt, abhängig dessen, was innerlich in ihm abläuft.

Das ist mal eine Perspektive dessen. Wenn man es nun von der Ansammlung der Geschöpfe um ihn herleitet, wird dies sicherlich so sein, dass sie sich fragen, was soll denn das bitte für ein Philosoph sein, der kann doch noch nicht einmal die Rechtschreibung?

Im Grunde genommen, beherrscht er die Rechtschreibung, während die um ihn diese nur aufgrund der Anbindung des Systems hinbekommen, er hingegen kann dies vielleicht sogar aus sich heraus. Allerdings in dem Moment, wo es diejenigen um ihn vernehmen, kann es sein, dass sie sich daran festhalten und es sich rausnehmen (d.h. für sich beanspruchen es genauso zu können, obwohl sie es aus dem System heraus nur können und noch überhaupt kein Eigenbewusstsein hinsichtlich der bestimmten Dinge hatten).

So, nun steht er also da der große Philosoph und bekommt nicht einmal paar einfache Sätze hin. Solche Zustände und Umstände herrschen derweil oft vor. Nicht dass es verkehrt wäre das System der Dinge zu nutzen [wobei wir hier dies auf Nationalebene sehen und den entsprechenden Nationen jeweils ein eigenes "System der Dinge ihrer jeweiligen Umgangsarten" zuordnen]. Die Sache ist nur die, dass es innerlich anders aussehen mag, als das, wonach es äußerlich aussieht.

Der Selbstlose beansprucht die Dinge nicht für sich, oder das ihm alles daran liegt, wie etwas nach außen hin aussieht. Bei den üblichen Geschöpfen sieht es umgekehrt aus, für die zählt erst einmal das wonach es äußerlich aussieht. So als wären sie dadurch nur besser, dass in ihnen etwas besseres gesehen wird, als das was da ist, oder dass es auf dieses allein ankäme. Und das ist sogar dann tatsächlich so, bei denen, wo alles nur vom System her gegeben ist. Es gibt dann kein eigenbewusstes Inneres mehr, wenn alles nur dem System seins ist.


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