Des Geistes streben - Ethik (alle)

Devino M., Samstag, 04. August 2018, 13:55 (vor 2099 Tagen)

Ethik in geometrischer Ordnung dargestellt - Baruch de Spinoza
3.T. - Von dem Ursprung und der Natur der Affekte

Lehrsatz 55:
Wenn der Geist sich seine Ohnmacht vorstellt, ist er ebendeshalb traurig.

Beweis:
Die Essenz des Geistes bejaht nur das, was der Geist ist und kann, anders formuliert, es liegt in der Natur des Geistes, sich nur das vorzustellen, was seine eigene Wirkungsmacht setzt. Wenn wir also sagen, dass sich der Geist beim Betrachten seiner selbst seine Ohnmacht vorstellt, dann sagen wir nichts anderes, als dass des Geistes Streben, sich das vorzustellen, was seine eigene Wirkungsmacht setzt, gehemmt wird, d.h., dass er traurig ist.

Anmerkung:
Diese von der Idee unserer eigenen Schwäche begleitete Trauer wird Demut genannt, während die der Betrachtung unserer selbst entspringende Freude Eigenliebe oder Selbstzufriedenheit heißt. Und weil dies sich so oft wiederholt, wie ein Mensch seine Tätigkeiten, d.h. seine Wirkungsmacht, betrachtet, kommt es auch, dass jeder sich danach drängt, von seinen eigenen Taten zu erzählen und seine eigenen Kräfte, die des Körpers wie die des Geistes, zur Geltung zu bringen, und dass Menschen deshalb einander lästig fallen. Hieraus folgt abermals, dass Menschen von Natur aus neidisch sind, anders formuliert, dass sie über die Schwäche von ihresgleichen frohlocken, über deren Können hingegen betrübt sind.

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Vieles ist oft ein größerer Kindergarten, als man zunächst annimmt, auch wenn es nicht zugegeben wird. Denn die Summe aus vielem macht es, dass man sich z.B. lediglich seiner Stärken besinnen mag, um jeglicher Ohnmacht, über das Unvermögen hinsichtlich der Schwächen hinwegzusehen. Wenn nicht ausdrücklich die Schwäche von etwas affiziert wird, kann dieses auch über weite Strecken in der Weise gelingen.

Doch eben in Anbetracht der Summe, dass der Mensch eine Sammlung aus vielem ist, sind die Schwächen aus der Summe durchaus affizierbar. Und so heißt es, die Verantwortung zu übernehmen, sich dieser Summe aus vielem zu stellen, denn nur so lässt es sich zum besseren wandeln. Im Zweifelsfalle hält das System her, um einem das zu ermöglichen, womit man selbst nicht zuwege kommt. Doch nutzt man das System als Dauerzustand, dann erzieht man sich selbst zu allerlei Schwäche.

Würden alle dazu übergehen an den eigenen Schwächen mehr zu arbeiten und weniger allerlei herzunehmen, was gegeben ist und nicht selten dieses als eigene Stärke auszugeben, dann würde es offenbar werden, in welchem Kindergarten sich alles einfindet. Denn der evolutionäre Entwicklungsvorgang eigenbewusster Spezies, ist ein sehr langer, da es vieles [bzw. alles] aus der Summe der Sammlung (allem was es) gibt, was es zu erkennen und zu entwickeln gibt [bis ins unendliche]. Wodurch sich erst die Unabhängigkeit ergibt, deren Freiheit letztlich jeder anstrebt, oder davon im Ansatz affiziert für sich fordern und proklamieren möchte. Geht so nur nicht auf! Volle Eigenverantwortung geht, daraus entsteht mehr oder weniger bedingte und unbedingte Freiheit, nach vielen Ohnmachtserfahrungen u.dgl.m.


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