Tag ein- Tag aus - Ethik (alle)

Devino M., Samstag, 08. September 2018, 21:34 (vor 2063 Tagen)

Ethik in geometrischer Ordnung dargestellt - Baruch de Spinoza
5.T. - Von der Macht des Verstandes

Lehrsatz 42:
Glückseligkeit ist nicht der Lohn der Tugend, sondern genau Tugend; noch haben wir eine innere Freude an ihr, weil wir unsere sinnlichen Lüste hemmen; sondern umgekehrt, weil wir an ihr eine innere Freude haben, können wir unsere sinnlichen Lüste hemmen.

Anmerkung:
... Daraus ist klar, wie viel der Weise vermag und wieviel mächtiger er ist als der nur von sinnlicher Lust getriebene Unwissende. Wer nämlich unwissend ist, lebt, außer dass er von äußeren Ursachen auf vielfache Weise umhergetrieben wird und nie seinen inneren Frieden findet, auch in einer Weise, dass er von sich, von Gott und von den Dingen fast nichts weiß; er ist einer, der, sobald er aufhört, etwas zu erleiden, zugleich auch aufhört zu sein...

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Es scheint nicht wenig so zu sein, dass man Menschen in Fabriken sperrt, damit sie irgendwelche Maschinen den ganzen Tag bedienen, doch in irgendwelchen sogenannten höheren Positionen lässt man nicht wenig bloß Erscheinungen sitzen, welche rein die Maschinerie der Marktwirtschaft verkörpern.

Viel mehr ist oft nicht dahinter. Es spielt dabei keine Rolle, ob dann einer nach Hause geht und dort scheinbar der liebevolle Vater für die ihm anvertrauten Kinder ist. Es mag tatsächlich so sein, dass er im Büro etwas ganz anderes ist. Eigentlich nicht viel anders, von den Kräften her, als die, welche in Fabriken schuften dürfen.

Das bittere ist nicht einmal, das Verhältnis, sondern das bittere ist, und doch zugleich auch Erfahrung, dass Menschen, welche den ganzen Tag in Fabriken Maschinen bedienen, diese Tätigkeit ins sich einprägen. Denn was ist es, was einer daraus mitnimmt, wenn er mehr oder weniger sinnfrei über Jahre Tag- ein und Tag aus, Maschinen bedient, was ist es, was es in ihm einprägt? Und was ist es, was damit der Menschengattung eingeprägt wird?

Dann mag ein Büroalltag vielleicht noch so erschwinglich scheinen, doch was ist dort, wenn nichts dahinter ist, sprich kein Mensch, der daraus irgend eine Erfahrung mitnimmt? Wenn es nicht viel mehr ist, der Kraftart nach, als dasjenige, was einer macht, wenn er täglich, vielleicht auch noch im Akkord, die selbe Maschine bedient?

Braucht man das wirklich? Und was sagt uns das letztlich? Nun, dass es doch nicht um viel mehr geht, als zu lernen, mit gewissen Kräften umzugehen. Und dann kann man überlegen, ob es notwendig ist, Menschen dafür einzuspannen. Ob es nicht doch in der einen oder anderen Weise möglich wäre, alles so zu steuern, dass es zum Wohle aller zusteuert. Denn es bedarf keines Vorteils oder Nachteils für irgendwen, wenn alles so verteilt wird, dass allen alles erforderliche zukommt. Und auch so, dass jeder freiwillig seinen Beitrag leistet, damit das wird, womit allen alles Erforderliche zu ihrem und dem Gemeinsamtbesten aller zukommen kann.

Der eigene Vorteil... - Ethik

Devino M., Sonntag, 09. September 2018, 23:37 (vor 2062 Tagen) @ Devino M.

Ethik in geometrischer Ordnung dargestellt - Baruch de Spinoza
5.T. - Von der Macht des Verstandes

Lehrsatz 41:
Selbst wenn wir nicht wüssten, dass unser Geist ewig ist, würden wir doch Moralität und Religion und überhaupt alles, wovon wir im 4. Teil gezeigt haben, dass es mit Selbstvertrauen und Edelmut zu tun hat, für das Wichtigste halten.

Beweis:
Die erste und einzige Grundlage von Tugend, d.h. einer richtigen Lebensführung, ist, den eigenen Vorteil zu suchen...

Anmerkung:
Die geläufige Überzeugung der Menge scheint eine andere zu sein. Denn die meisten glauben, so sieht es aus, dass sie in dem Maße frei sind, wie es ihnen gestattet ist, ihrer sinnlichen Lust zu frönen, und dass sie ihr Recht in dem Maße aufgeben, wie sie gehalten werden, nach der Vorschrift des göttlichen Gesetzes zu leben. Moralität also und Religion und überhaupt alles, was zur Charakterstärke gehört, halten sie für Bürden, die sie hoffen nach dem Tode abzulegen, zugleich in der Hoffnung, dann einen Lohn für ihren Dienst, als den sie Moralität und Religion verstehen, zu empfangen. Aber nicht diese Hoffnung allein ist es, sondern auch und hauptsächlich die Furcht, nach dem Tode schrecklich bestraft zu werden, die sie dazu bringt, nach der Vorschrift des göttlichen Gesetzes zu leben, soweit ihre Ärmlichkeit und Charakterschwäche ihnen das überhaupt erlaubt. Würden Menschen diese Hoffnung und Furcht nicht haben, sondern stattdessen glauben, dass der Geist mit dem Körper zugrunde geht und dass den Nichtswürdigen, mögen sie sich auch unter den Bürden der Moralität verausgabt haben, kein künftiges Leben bevorsteht, dann wären sie wieder bei ihrer natürlichen Disposition und zögen es vor, alles nach ihrer sinnlichen Lust zu regeln und mehr blindem Geschick als sich selbst zu gehorchen.

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Die Gewichtung von vor 400-500 Jahren und heute mag zwar etwas anders liegen, doch ist die Nichtigkeit den meisten Beweggründen immer noch anzusehen. Vor Furcht mag heute kaum wer geleitet sein, was die geringere oder höhere Moralität in den Beweggründen und Bestrebungen anbetrifft, der eigene Vorteil ist jedenfalls selten von der Hand zu weisen. Denn wollte man sich heute weniger fürchten, was irgendwelche Folgen anbetrifft, so wird man sich mehr auf Seiten des Atheismus zu positionieren suchen.

Allerdings ist im Beweis zum obigen Lehrsatz weniger der Vorteil gemeint, den ein Mensch vor allen anderen Menschen oder auf ihre Kosten hin sucht. Es geht hier mehr um das Streben nach Glück an sich, so dass man hier auch z.B. eine Gesunderhaltung als einen Vorteil ansehen würde. Oder ein anderes Beispiel wäre auch Gott, denn wenn Er seinen Vorteil sucht, dann zugleich auch den Vorteil aller, denn Er ist ja nicht weniger als alles. Von dem her könnte Er also nicht einen Vorteil für sich allein beanspruchen, da Er nicht weniger ist, als alles, alles was ist.

Und doch kann daher der Vorteil nicht größer für alle sein, als das Gott zu seinem Vorteil agierte. Auch wenn eher allgemein hin vorsicht geboten sein sollte, wie weit man Gott ins Spiel bringt mit irgendwelchen Aussagen, denn damit würde man ggf. alles meinen, was ist. Doch dürfte dieses hier evident genug sein, um es so anführen zu können! Die andere und dem nicht unähnliche Position kann die sein, dass man sich mehr als Gattungswesen versteht und im Sinne von diesem agiert bzw. den Vorteil für dieses ersucht. Womit letztlich vieles an nichtigem Treiben behoben werden könnte.

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