Freundschaft - Ethik (alle)

Devino M., Mittwoch, 22. August 2018, 23:11 (vor 2081 Tagen)

Ethik in geometrischer Ordnung dargestellt - Baruch de Spinoza
4.T. - Von menschlicher Knechtschaft

Lehrsatz 71:
Nur freie Menschen sind einander im höchsten Maße dankbar.

Beweis:
Nur freie Menschen sind einander im höchsten Maße nützlich und mit einem wirklich festen Band von Freundschaft miteinander verbunden, und nur sie streben mit gleichem Liebeseifer einander wohlzutun; mithin sind nur freie Menschen einander im höchsten Maße dankbar.

Anmerkung:
Die Dankbarkeit, die von blinder Begierde geleitete Menschen einander entgegenbringen, ist in der Regel eher ein Kaufmannsgeschäft im Stil der Vogelfängerei als Dankbarkeit...

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Von vielen kann man nicht mehr erwarten, als man von ihnen erwarten können kann. Selbst wenn sie es ehrlich meinen zu meinen, ist es oft so, soweit sie von allerlei affiziert sind, dass es lediglich um die Erfüllung irgendwelcher Begierden geht.

Im Falle von Affiziertheit, ist zuerst der von Affekten geleitete, der als Mittelsmann für diese agiert, und dann leicht derjenige, der darauf eingeht, sodann derjenige, der ebenfalls als Mittel zum Zweck genommen wird (auch wenn dieses alles unbewusst geschehen mag). Somit ist das alles dann keine aufrechte Freundschaft und vielmehr ein Zweckverbund oder schlimmer.

Es ergibt also einen Sinn, dass nur derjenige der frei ist [d.h. also nicht von Affekten angetrieben wird], derjenige also, der einem ein Freund sein kann. Für den der unfrei ist, wird es schwierig sein echte Freundschaft einzugehen. Da er ja auch selten wird etwas zutragen können, was nicht ebenfalls von Affekten herrührt, sondern von demjenigen selbst in Freiheit geschieht.

Sichere Regeln - Ethik

Devino M., Sonntag, 26. August 2018, 19:06 (vor 2077 Tagen) @ Devino M.

Ethik in geometrischer Ordnung dargestellt - Baruch de Spinoza
5.T. - Von der Macht des Verstandes


Lehrsatz 10:
Solange wir nicht von Affekten bedrängt werden, die unserer Natur entgegengesetzt sind, steht es in unserer Gewalt, die Affektionen des Körpers gemäß einer Ordnung zu ordnen und zu verketten, die dem Verstand gemäß ist.

Beweis:
Affekte, die unserer Natur entgegengesetzt sind, d.h. die schlecht sind, sind insofern schlecht, als sie den Geist daran hindern, dass er einsieht.
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Anmerkung:
... Das Beste also, was wir tun können, solange wir nicht eine vollkommene Erkenntnis unserer Affekte haben, ist ein richtiges Prinzip, d.h. sichere Regeln, für unsere Lebensführung zu konzipieren, diese unserem Gedächtnis einzuprägen und sie beständig auf die besonderen Fälle, die im Leben häufig vorkommen, anzuwenden, damit so unsere Vorstellungskraft weitgehend von ihnen affiziert wird und sie uns jederzeit zur Verfügung stehen.

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Ein jeder wird von diesem oder jenem affiziert, was durchaus natürlich ist, denn andernfalls wäre ein vollkommenes Bewusstsein in jeder Hinsicht erforderlich. Oft wird der Sachverhalt von einer nüchternen Distanziertheit zwar angemessen eingeschätzt, doch in der Situation der Erfahrung sieht es dann schon wieder ganz anders aus. So dass in vielen Fällen eine Selbstüberschätzung mit sogar die Ursache dafür ist, dass man in der Erfahrung von allerlei Affekten mal hierhin und mal dorthin gezerrt wird.

Es erfordert einige Ehrlichkeit mit sich, statt zu meinen, man würde ja so locker über allen Dingen stehen, dass manche Summe aus den Dingen, mehr ist, als die Summe auf der eigenen Seite einem möglich macht, damit souverän zu verfahren. Nicht zuletzt liegt es daran, dass ja auch auf der eigenen Seite eine gewisse Summe aus vielem da ist, die man nicht immer vorweg [außerhalb der Erfahrung] einsehen und einzuschätzen vermag, wie sich diese in der Erfahrung verhält.

Daher ist Rhythmus ein sehr hilfreiches Standbein, was man kaum zu viel pflegen kann. Nicht einmal nur der eigenen Psyche wegen, sondern eben wegen der Summe, die auf der eigenen Seite ist, dass diese bereits eine Ausrichtung hat und nicht blindlinks einem bei nächster Gelegenheit aus dem Ruder zu laufen droht.

Was gut in jedem Ding ist... - Ethik

Devino M., Sonntag, 26. August 2018, 19:32 (vor 2077 Tagen) @ Devino M.

Ethik in geometrischer Ordnung dargestellt - Baruch de Spinoza
5.T. - Von der Macht des Verstandes

Anmerkung:
... Es ist aber darauf hinzuweisen, dass wir beim Ordnen unserer Gedanken und Vorstellungsbilder immer das beachten müssen, was gut in jedem Ding ist, damit wir so immer aus einem Affekt der Freude heraus zum Handeln bestimmt werden. Wenn z.B. jemand sieht, dass er zu sehr nach Ruhm trachtet, dann sollte er über dessen rechte Funktion nachdenken, zu welchem Zweck nach ihm getrachtet werden sollte und mit welchen Mitteln er erreicht werden kann, nicht aber über seinen Missbrauch und seine Eitelkeit, noch über menschliche Unbeständigkeit und anderes dieser Art, worüber nur jemand nachdenkt, der grammvollen Gemüts ist. Gerade die, die am ehrgeizigsten sind, werden nämlich von Gedanken dieser Art besonders heimgesucht, wenn sie ohne Hoffnung sind, die Ehre, die sie erflehen, zu erlangen, Leute, die, während sie ihren Zorn ausspeien, auch noch als weise erscheinen wollen. Deshalb ist es zweifellos so, dass die am meisten nach Ruhm gieren, die am lautesten über seinen Missbrauch und über die Eitelkeit der Welt krakeelen. Freilich ist dies keine Eigenart nur der Ehrgeizigen, verbreitet ist es bei allen, denen kein Glück beschieden ist und die [zugleich] ohnmächtigen Gemüts sind. Denn der Arme redet, wenn er zudem habgierig ist, ohne Unterlass über den Missbrauch von Geld und die Laster der Reichen, womit er nichts bewirkt, als sich selbst zu quälen, und anderen zeigt, dass er nicht nur die eigene Armut, sondern auch den Reichtum anderer nicht mit Gleichmut tragen kann.

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Gerade solche, die am lautesten über etwas krakeelen, sind die, wenn sie sich in der Situation selbst vorfänden, und wenn ihnen die Erinnerung abginge, an dasjenige, wie sie zuvor der Sache gegenüberstanden, diese sind es, die noch ärgeres treiben, als jene, über welche sie ehedem klagten. Genau dies ist mit der Summe verbunden, die sie auf ihrer Seite tatsächlich mit sich führen.

Also kann man auch sagen, wenn die Verstandeserinnerung abginge, sieht die Sache doch bei vielen anders aus, als sie es sich selbst eingestehen möchten. Und das ist es auch, warum das Krakeelen einsetzt, weil oft das Gegenteil eher zutrifft, als das, wie einer sich zu geben geneigt ist, in Anlehnung daran, den entsprechenden Anteil bei sich irgendwie ausgleichen oder auch unterdrücken zu wollen.

Möchte man wirklich geistig gute Fortschritte machen, ist es allerdings genau das, wo das meiste Potenzial freigesetzt werden kann, sofern man solcherlei bei sich aufarbeitet. Man kann da nicht in dem Sinne ins Kloster gehen u.dgl. und schon verschwindet derlei von selbst. Umgekehrt, eher dezent sich dem aussetzen, womit man sich schwerer tut oder was man eher verächtlich findet, um zu schauen, was auf der eigenen Seite dann aufploppt, um dann daran zu arbeiten und Lösungen (zunächst vielleicht nur psychisch) zu erarbeiten.

Jedenfalls ist solcherlei mehr spirituelle Arbeit, als allerlei in der Richtung auszuweichen, um dann wenn man es hinreichend unterdrückt oder verleugnet hat, sich als geistreich geben zu wollen. So dass man sich dazu hinleiten lässt, dem ganzen Umfeld das vorzuwerfen, womit scheinbar nur man selbst mit uneins ist. Eine Möglichkeit, anstelle bloßen Krakeelens, wäre, nebst dem, zunächst etwas Positives darin zu sehen, oder auch im Zusammenhang damit, ist eine Lösung zu suchen, wie etwas besser gemacht werden könnte.

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