Geheimnis des Lebens- Bardo Thödol (alle)

Vinaya El Michaela, Mittwoch, 09. Dezember 2015, 04:25 (vor 3320 Tagen)

Bardo Thödol

Als Wissenschaft vom Tode verkleidet, enthüllt der Bardo Thödol das Geheimnis des Lebens.
Darin liegen die geistige Werte und die universelle Bedeutung von allen Totenbücher dieser Welt.


Im Totenbuch finden wir drei Prinzipien wieder:

1. Wir sollten jeden Augenblick unseres Lebens mit dem gleichen Ernst betrachten, als wenn es
der letzter unseres Lebens wäre.
„Lebe als müsstest Du heute sterben….. stirb, als wärest du unsterblich!"
Wenn du leben willst, dann lerne zuerst zu sterben", so heißt es im tibetanischen Totenbuch.

Bisher sind wir davon ausgegangen, dass der Tod etwas ist, gegen das wir kämpfen müssen, wie z. B. in unserer Medizin, wo es oft darum geht, den Tod zu verhindern, weil er uns das Leben nimmt.
Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Der Tod gibt uns das Leben. Er hält uns immer wieder dazu an, die Schritte in unserem Leben zu tun, die es uns ermöglichen in den Lebensfluss hineinzukommen.
Wenn es den Tod nicht gäbe, würden wir gar nichts tun. Wir würden uns auf dem,
was ist - oder nicht ist - ausruhen und nicht an uns arbeiten. In diesem Sinne können wir den Tod als eine Kraft betrachten, die uns in den Lebensstrom bringt. Das Wissen um die Existenzdes Todes lässt uns überhaupt erst die Frage nach dem Sinn des Lebens stellen und motiviert uns weiterzudenken, weiter zu fühlen, uns mit transpersonalen oder immateriellen Dimensionen zu beschäftigen. Der Tod zeigt uns also, dass es da noch etwas anderes gibt, wo es sich lohnt, hinzuschauen und hinzugehen.

2. Wenn unsere letzte Stunde gekommen ist, sollten wir uns an das Geistige und Wesentliche erinnern, bereit sein alles Unwesentliche hinter uns zu lassen. Dies erfordert aber, dass wir uns schon während der Lebenszeit mit dem unwesentlichen und wesentlichen des Lebens auseinandergesetzt haben. Und dass, wir weitgehendst mit unseren offenen Gestalten und Traumata abgeschlossen haben. Das heißt, um dieses möglich zu machen, muss man sich während seiner Lebenszeit geistig, psychologisch und spirituell vorbereiten. So wie wir gelebt haben, die Entscheidungen die wir getroffen, was wir an Bewusstsein aufgebaut und gepflegt haben ist richtunggebend für den Ablauf und das Erlebnis unseres Sterbens.

3. Als drittes Prinzip gilt: dass wir den soeben aus diesem Leben Abgeschiedenen mit liebenden und helfenden Gedanken in den neuen Daseinszustand begleiten, ohne zuzulassen, dass die eigene emotionale Bindung zu einem Hindernis für ihn und für einen selbst wird. Vor allem das dritte Prinzip zeigt die Notwendigkeit einer Sterbebegleitung, die in einem kulturellen Rahmen eingebunden ist. Dies fehlt in unserer Kultur. Die ursprünglichen Totenrituale wurden durch dogmatische Glaubensrituale abgelöst. In der Zwischenzeit achten wir auf den Geburtsprozess, aber was ist mit dem Sterbeprozess?

Des Weiteren unterscheidet das Totenbuch sieben verschiedene Lokas oder Welten in denen sich
bestimmte Bewusstseinzustände (genannt Bardos) abspielen. In der Übersetzung sind dies:

- der Zustand des Schlafbewusstseins = Erdendasein
- der Zustand des Wachbewusstseins = Erdendasein
- der Zustand des Todeserlebnisses = Sterbeprozess
- der Zustand des Traumbewusstseins = Todeserfahrung/Traumkörper
- der Zustand des Erlebens der Wirklichkeit = Todeserfahrung/Traumkörper
- der Zustand des Versenkungsbewusstseins = Leere-Stille
- der Zustand des Wiedergeburtbewusstseins = magnetische Anziehungskraft

Diese sieben Lokas sind in den "Wurzelversen der 7 Bardo-Lokas" beschrieben und bilden den ursprünglichen Kern des Bardo Thödol. Um noch einmal darauf hinzuweisen, finden wir diese sieben Stufen oder Bewusstseinszustände in allen mystisch/spirituellen Traditionen oder auch in den Heldenreisen wieder. Dies weist darauf hin, dass wir es hier mit der Wirklichkeit des Lebens und dem Mysterium Geburt/Tod und nicht nur mit einer Anweisung zu sterben oder gar eine Totenmesse zu tun haben.

So lautet der zweite Vers im Bardo Thödol für den Zustand des Wachbewusstseins:
„O dass sich jetzt, wo mir der Bardo des Lebens aufgeht, Müßiggang aufgebe, da das Leben keine Zeit zum Verschwenden hat. Den Pfad des Hörens, des Nachdenkens und der Meditation beschreite,sodass, nachdem ich nun einmal die menschliche Gestalt erlangt habe, keine Zeit durch nutzlose Zerstreuungen vergeudet werde."

Der Pfad des Hörens bezieht sich hier auf das Hören mit dem Herzen, was eine Verbindung zu dem Licht im Inneren darstellt und was immer der Mensch dann sehen, hören und fühlen mag in der Stunde seines Sterbens, wird er als eine Spiegelung oder Projektion seines eigenen bewussten oder unterbewussten Bewusstseinsinhaltes erfahren. Keine selbstgeschaffene Illusion kann Macht über ihngewinnen, wenn er ihren Ursprung kennt und imstande ist, ihre Natur zu durchschauen. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für ein bewusstes Sterben, das wir zu Lebzeiten zu üben haben.

Das Mysterium des Lebens zu kennen, bedeutet das Wissen darüber zu haben, wie wir von einem Schwingungszustand in einen anderen überwechseln können. Im Sterbeprozess erfahren wir dieses Wissen, außer wenn wir in eine Bewusstlosigkeit fallen und in der Welt des Schlafzustandes verharren.

Dann wird der gesamte Durchgang, hin zur Wiedergeburt, an uns vorbeigehen wie eine traumlose Nacht, aus der heraus wir morgens aufwachen und uns an nichts mehr erinnern, nicht mal mehr daran, dass wir irgendwann eingeschlafen sind.

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