Die Allegorie vom Hasen und vom Löwen-RUMI (alle)

Vinaya El Michaela, Montag, 28. September 2015, 08:41 (vor 3391 Tagen)


Die Allegorie vom Hasen und vom Löwen

Rumi beschreibt den inneren Kampf der Seele in einer scheinbar einfachen Allegorie – in der Geschichte vom Hasen und vom Löwen. Doch er warnt seinen Leser: „Verkauf dein Eselsohr und erwirb dafür ein neues, denn ein Esel kann diesen Vortrag nicht verstehen.” In der Geschichte verbergen sich tiefe Wahrheiten.

‚In einer schönen Gegend lebte eine Schar von wilden Tieren. Doch dort gab es auch einen Löwen, mit dem sie ständig Streit hatten, denn er betrachtete sich als Herrscher über Berg und Tal, den Dschungel und alle anderen Tiere. Dauernd fing er sich ein Tier ein, um sich damit den Magen zu füllen. Er verbitterte allen im Wald das Leben, denn keiner war vor ihm sicher.
Da legten sich die Tiere einen Plan zurecht. Sie gingen zum Löwen, huldigten ihn und sagten dann: „Ab heute werden wir dir jeden Tag selber ein Tier schicken . Du brauchst uns also nicht mehr aufzulauern. So wirst du immer satt und wir können ein ruhiges Leben führen!“
Der Löwe aber sagte: „Ich bin schon vielen listigen Leuten begegnet. Deshalb glaube ich euch nicht. Ich werde nur auf euch hören, wenn ihr beweist, dass ihr euer Versprechen haltet.“
Die Tiere sagten: „O König des Dschungels! Du musst auf Gott vertrauen und mit dem zufrieden sein, was Gott für dich zum täglichen Brot bestimmt hat. Gott ist in Wahrheit der Ernährer und niemand darf Ihn vergessen und seine Grenzen überschreiten.“
Der Löwe sagte: „Gott hat mich mit Krallen und Zähnen ausgerüstet und mir Beine zum Laufen gegeben. Also muss ich selber auf die Jagd gehen.“
So debattierten der Löwe und die Tiere miteinander bis schließlich der Fuchs, das Reh, der Hase und der Schakal mit dem Löwen das Bündnis eingingen, dass sie jeden Tag dem Löwen etwas zu Fressen bringen, damit er nicht mehr den anderen Tieren im Wald nachjagt und alle ständig in Furcht und Schrecken leben müssen.
Auch die anderen Tiere willigten ein und waren damit einverstanden, dass jeden Tag das Los gezogen wird und der, auf den das Los fällt, sich dem Löwen als Nahrung ausliefern muss.
Danach zogen sie jeden Tag das Los . Und so hatte täglich irgendein Tier das Pech, die Tagesration des Löwens zu werden. Der Löwe hatte nichts dagegen, mühelos an seine tägliche Mahlzeit zu gelangen. Das ging so weiter, bis schließlich das Los auf den Hasen fiel.
Der Hase bekam es mit der Angst zu tun und begann nachzudenken, wie er seine Haut retten könnte. Er erklärte er werde nicht zum Löwen gehen, aber die anderen Tier tadelten ihn und sagten: „Du verstößt gegen unser Abkommen mit ihm. Wenn du dich nicht auslieferst, wird er wütend werden und Unheil anrichten.“ Der Hase aber bat um eine Denkfrist. Er sagte: „Vieleicht kann ich mir eine List ausdenken, und mich und euch aus der Tyrannei des Löwens retten.“
Die Tiere fragten: „Wie denn? Was redest du da?! Wie willst du mit deinem kleinen Körper und Verstand etwas ausrichten können? Du kannst den Löwen nie im Leben hinters Licht führen!“
Doch der Hase sagte: „Mit Gottes Huld ist mir klar geworden, das ich durch eine List mich und euch aus den Krallen des Löwens retten kann. Gott ist groß und mächtig.“
Die Tiere wieder: „Ach du kluger Hase, sag schon, was du vorhast !“
Der Hase erklärte den Tieren: „Ach, nicht jedes Geheimnis kann man verraten. Lasst mich sehen, ob meine List etwas hilft!“
Die Tiere waren einverstanden. Der Hase zog los und durchquerte gemütlich den Wald bis er schließlich zum Löwen ging. In dessen Nähe angelangt, begann er zu laufen. Der Löwe war schon richtig wütend, weil er so lange auf seine tägliche Mahlzeit hatte warten müssen. Er schrie: „Warum kommst du erst so spät?! Willst du winziger Hase etwa nicht meinem Befehl gehorchen?“
Der Hase rief: „Gedulde dich, lieber Löwe. Ich werde dir erklären, wieso ich so spät ankomme. Weißt du, ich und mein Freund, der viel fetter war als ich, sind heute morgen losgezogen und waren schon ganz in eurer Neue, als uns ein anderer Löwe überfallen hat. Er packte sich meinen Kameraden, aber ich erklärte ich ihm: Wir sind doch die Untertanen des Königs des Dschungels und seine heutige Nahrung. Du darfst uns nichts antun!
Da schrie dieser Löwe: `Welcher König des Dschungels denn? Ich werde dich und deinen König zerfetzen!!`
Da sagte ich: Gewährt mir eine Frist, damit ich meinem König Bescheid sage!“ Und der Löwe sagte: `Gut, dann lass deinen Kameraden bei mir und hol deinen König her.`“
Der hungrige Löwe war aufgebracht und brüllte: „Zeig mir diesen elenden Kerl!“
Der Hase führte ihn in Richtung eines Brunnens, den er vorher ausfindig gemacht hatte. Bevor sie beim Brunnen ankamen, blieb er stehen und der Löwe fragte:
„Warum bleibst du stehen, Hase? Komm geh du vor.“
Da sagte der Hase: „Dieser Löwe lebt in dem Brunnen dort. Ich habe Angst vor ihm.“
Da rief der König des Dschungels: “Ach, du brauchst keine Angst zu haben. Ich bin doch viel stärker als er. Komm ich trag dich auf dem Arm! Dann bist du vor ihm sicher!“
Da ließ sich der Hase vom Löwen hochheben und Löwe und Hase gingen beide zum Brunnen. Als der Löwe, den Hasen auf dem Arm, in den Brunnen schaute, erblickte er im Brunnenwasser einen Löwen , der einen Hasen in seinen Tatzen hielt. Es war natürlich sein Spiegelbild, aber das wusste der Löwe nicht und dachte es ist der andere Löwe der ihm den anderen Hasen weggeschnappt hat.
Da ließ er den zweiten Hasen fahren und sprang wütend in den Brunnen herunter um seinen Rivalen zu töten und ihm den Hasen zu entreißen.
So ertrank er ihm Brunnen und dank der Klugheit des Hasens waren die Tiere im Wald für immer den Löwen los.' RUMI


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