Opfer (alle)

Atanas, Sonntag, 07. April 2013, 11:34 (vor 4292 Tagen)

„Die Welt braucht Menschen, die zu Opfern bereit sind. Opfert eure persönlichen Vergnügen und Vergnügungen zum Erlangen der hohen Güter des Lebens. Opfert euer persönliches Leben für das Leben der Menschheit. Die Welt braucht echte Arbeiter, die selbstlos und mit Liebe arbeiten, und nicht dass ihr euch nur in die Brust werft, dass ihr etwas tut.“ (Beinsa Duno)

Zitat: Briefe an Poseidon - Fleck

Devino M., Sonntag, 07. April 2013, 12:27 (vor 4292 Tagen) @ Atanas

Ein Bild hat sich festgesetzt, obwohl man es nicht gesehen hat.
Bei Filmen ist das merkwürdig, aber genau so ist es. Es ist nur gesagt worden, nicht gezeigt. Etwas war zu sehen, das wir nicht sahen, ein weißer Fleck, dessentwegen die Person, die es sagte, in dem Augenblick nicht gut sehen konnte. Sie hatte ihre Brille abgesetzt, weil sie weinen und sich danach die Augen reiben mußte. Der Mann, der gerade voll flammendem und zugleich eiskaltem Haß zu ihr gesprochen hat, steht einige Meter von ihr entfernt. Für uns ist sein Gesicht zu erkennen. Es ist weiß und von maßloser Verzweiflung und Selbstmitleid erfüllt. Weil die Frau ihre Brille nicht aufhat, sieht sie nicht sein Gesicht, sondern statt dessen diesen weißen Fleck. Das sagt sie jetzt. Der Filmt hat sie häßlich gemacht, eine Lehrerin vom Land, doch in diesem Moment ist sie schön. Große Kunst, Liebe allein dadurch zu zeigen, daß man eine Person in einem leeren Klassenraum den Kopf etwas anheben läßt, wodurch sie anderes Licht einfängt. Der Mann hat lange gesprochen, fast monoton, mit diesem unterkühlten Beißton absoluter Verachtung. Eine Litanei gemessenen Hasses. Sie liebt ihn, und er will sie nicht. Sie sind zusammen, aber alles widert ihn an, sie, ihre Nähe, ihre Stimme, ihre Tränen. Was er sagt, ist eine Litanei der Zerstörung, doch selbst sein Haß ist hohl, wie auch sein ganzes Leben, und sie weiß es. Sie sieht einen weißen Fleck, einen schon nahezu erloschenen Mann, der seinen ohnmächtigen Abscheu ballt, während sie vor Liebe immer hübscher wird. Die letzte Szene ist ein Gottesdienst mit drei Abendmahlsgästen: der geile Organist, der auf seine Armbanduhr schaut, der hinkende Küster, der an die Einsamkeit Christi im Garten Gethsemane denkt, und sie mit ihrer Liebe und ihren großen Schuhen und dem unmöglichen Seehundfellmantel. Der Mann, den sie liebt, blickt in die leere Kirche und beginnt den Gottesdienst mit den ewiggleichen Worten. Orgeltöne, der wundersame Zauber des Schwedischen, in dem mitunter meine eigene Sprache wie eine Erinnerung an archaische Zeiten mitschwingt. Eine leere Kirche in einer endlosen Landschaft, 1963, die früher Dunkelheit des nördlichen Winters, keine Lösung, keine Gnade, das Leben als seine eigene Strafe.

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