Psychologie der Massen - Le Bon (alle)

Devino M., Sonntag, 10. Februar 2019, 13:51 (vor 1895 Tagen)

Die Massenseele
1.B.1.K. Allgemeine Kennzeichen der Massen -
Das psychologische Gesetz von ihrer seelischen Einheit

Das Schwinden der bewussten Persönlichkeit und die Orientierung der Gefühle und Gedanken nach einer bestimmten Richtung, die ersten Vorstöße der Masse auf dem Weg, sich zu organisieren, erfordern nicht immer die gleichzeitige Anwesenheit mehrerer einzelner an einem einzigen Ort. Tausende von getrennten einzelnen können im gegebenen Augenblick unter dem Einfluss gewisser heftiger Gemütsbewegungen, etwa eines großen nationalen Ereignisses, die Kennzeichen einer psychologischen Masse annehmen. Irgendein Zufall, der sie vereinigt, genügt dann, dass ihre Handlungen sogleich die besondere Form der Massenhandlungen annehmen. In gewissen historischen Augenblicken kann ein halbes Dutzend Menschen eine psychologische Masse ausmachen, während hunderte zufällig vereinigte Menschen sie nicht bilden können. Andererseits kann bisweilen ein ganzes Volk ohne sichtbare Zusammenscharung unter dem Druck gewisser Einflüsse zur Masse werden.
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Geht man davon aus, dass eine bestimmte Masse sich erst in einem Raum einfinden muss, so hat man damit ganz recht. Denn sofern sie zu einer Masse vereint sind, ist ja eine Gemeinsamkeit vorweg anzunehmen, wodurch ein Übereinkommen erst erfolgt. Doch nimmt man an, es müssen Räumlichkeiten sein, worin man andere physisch sehen kann, dann irrt man sich. Denn man nimmt dann nur einen einzigen Raum, nämlich den Physischen allein als reell gegeben an. Sodann müsste man sich allein als lediglich physisch vorhanden dazu denken. Soweit man Emotionen und Gefühl nicht sieht, heißt es doch nur, dass sie auch dem physisch-sichtbaren Raum nicht angehören. Sodann ist die Folgerung unweit, zu sagen, dass sie also zwar in irgend einer Art von Raum sich zusammenfinden (denn sonst gäbe es ja keinerlei Verbindung), doch wird der Raum also nicht dieser Art von Begrenzung durch physische Wände um einen meinen.

Die nächste hierzu erforderliche Annahme ist, dass sofern z.B. ein Nationalgefühl da ist, und man sich einem bestimmten Land verbunden sieht, und sofern dieses selbige Nationalgefühl auch von anderen in selbiger Weise hervorgerufen wird, und es nicht bloß einem beliebig ähnlichem Gefühl also entspricht, dass es einen gemeinsamen Raum hierfür geben muss. Der geistige Raum braucht selbstredend also nicht als Raum vorgestellt sein, es kann auch als eine Summe eines kollektiven Willens angenommen werden. Sofern dieser jedoch nicht nur vom Einzelnen in beliebiger Weise reproduziert wird, sondern eindeutige Kennzeichen einer Einheit bildet, ist es also unabdingbar, dass dieses einen Raum hat [welcher Art auch immer], zudem also der jeweils Zugehörige sich auch erst als eindeutig zugehörig empfindet [und dieses also aus dem jeweiligen Raum und der Anwesenheit darin hervorruft].

Unter diesen Annahmen, kann man zur Analyse übergehen, wie sich ein kollektiver Wille Ausdruck verschafft. Was kollektiv eine Masse ausmacht. Und auch welche Psychologie dem zugrunde liegt, oder worin sich dieses vom Individuum unterscheidet. Auch was die bestimmten und besonderen Eigenheiten dazu sind u.dgl.m.


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