Erfahrungszugewinn - Ethik (alle)

Devino M., Samstag, 28. Juli 2018, 23:28 (vor 2105 Tagen) @ Devino M.

Ethik in geometrischer Ordnung dargestellt - Baruch de Spinoza
3.T. - Von dem Ursprung und der Natur der Affekte

Lehrsatz 44:
Hass, der von Liebe vollständig besiegt wird, geht in Liebe über; und die Liebe ist dann größer, als wenn Hass ihr nicht vorausgegangen wäre.

Beweis:
... Denn wer ein Ding, das er hasst, also mit Trauer zu betrachten gewohnt war, zu lieben beginnt, freut sich allein deshalb schon, weil er liebt; und zu dieser in Liebe enthaltenen Freude kommt noch jene hinzu, die dem entspringt, dass das Streben, die in Hass enthaltene Trauer zu beseitigen, gerade gestärkt wird, [wenn] es begleitet wird von der Idee desjenigen, den man gehasst hat und [jetzt] als eine Ursache [von Freude ansieht].

Anmerkung:
Gleichwohl, wenn es sich auch so verhält, niemand wird deshalb streben, ein Ding zu hassen, d.h. sich selbst mit Trauer zu affizieren, nur um die beschriebene größere Freude zu genießen; d.h. niemand wird begehren, Unrecht zu erleiden in der Hoffnung auf Entschädigung, oder wünschen, krank daniederzuliegen in der Hoffnung auf Genesung. Denn ein jeder wird von jeher streben, sein Sein zu erhalten und Trauer, soviel er kann, zu beseitigen...

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Wenn ein Mensch die Welt verlässt, dann ist dies eine ähnliche Freude der Erleichterung. Das hat damit zu tuen, dass man aufhört von den Körperlichkeiten affiziert zu werden, die man noch nicht vollständig zu beherrschen erlernt hat, weil dieses aufgehoben wird und entfällt. Darin zeigt sich ein Zugewinn, denn die Freude wäre nicht in der Weise gegeben, wenn man zeitweilig das Gegenteil dazu [davon affiziert zu sein] nicht erfahren hätte. In der Weise sind alle gemachten Erfahrungen wertvoll.

Klar, man wird irgend eine Art von Erleiden nicht anstreben, um sich hinterher zu erfreuen, dass man es dann wieder los ist. Nur warum erfreut man sich nicht in gleicher Weise also, auch ohne die Erfahrung? Weil der Teil sonst erst gar nicht zum Erwecken/Erwachen gebracht würde, die Freude darin zu [er]finden, sofern man allerlei Erleiden gleich ausgewichen wäre.

Und darum reifen viele Seelen erst durch allerlei Ungemach, zu der Güte und Herzlichkeit heran, die sonst nicht wäre. Wo sonst vielleicht vieles für selbstverständlich hingenommen würde usw. Deswegen bewertet die Seele die Dinge und Erfahrungen aus einem anderen Blickwinkel. Allerdings, gäbe und gibt es vieles für die Seele in der Weise gar nicht, ausgenommen als Erfahrung, denn sie ist es nicht, die die Körperlichkeiten ausmacht, welche durch allerlei affiziert werden, sie stellt nur das Bewusstsein u.dgl. Da sie ja nicht weniger wird, wenn die Körperlichkeiten entfallen, sondern mehr, mehr an Erfahrung; andernfalls würde sie mit diesem vergehen und weniger werden hinterher. Die Sache ist von dem her evident, weil es sonst keinerlei Erinnerung der Erfahrung im Verbleib gäbe...


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