Die erste Idee zum Lauf der Dinge - Ethik (alle)

Devino M., Mittwoch, 27. Juni 2018, 01:06 (vor 2137 Tagen)

Ethik in geometrischer Ordnung dargestellt - Baruch de Spinoza
2.T. - Von der Natur und dem Ursprung des Geistes

Lehrsatz 11:
Das erste, was das wirkliche Sein des menschlichen Geistes ausmacht, ist nichts anderes als die Idee eines wirklich existierenden Einzeldinges.

Beweis:
Es sind bestimmte Modi der Attribute Gottes, die die Essenz des Menschen ausmachen, nämliche Modi des Denkens, denen allen eine Idee ihrer Natur nach vorangeht; ist sie gegeben, müssen die übrigen Modi (denen sie ihrer Natur nach vorangeht) in demselben Individuum sein. Mithin ist eine Idee das erste, was das Sein des menschlichen Geistes ausmacht, aber nicht die Idee eines nichtexistierenden Dinges. Denn dann ließe sich von der Idee selbst nicht sagen, dass sie existiert. Also wird es die Idee eines wirklich existierenden Dinges sein; aber nicht die eines unendlichen Dinges. Ein unendliches Ding muss nämlich notwendigerweise immer existieren; es ist aber widersinnig, [dass diese Idee ein solches Objekt haben könnte]. Also ist das erste, was das wirkliche Sein des menschlichen Geistes ausmacht, die Die eines wirklich existierenden Einzeldinges.

Folgesatz:
Hieraus folgt, dass der menschliche Geist ein Teil von Gottes unendlichem Verstand ist. Wenn wir daher sagen, der menschliche Geist nimmt dieses oder jenes wahr, so sagen wir nichts anderes, als dass Gott, nicht insofern er unendlich ist, sondern insofern er durch die Natur des menschlichen Geistes erklärt wird, d.h. insofern er die Essenz des menschlichen Geistes ausmacht, diese oder jene Idee hat. Und wenn wir sagen, Gott hat diese oder jene Idee, nicht insofern er nur die Natur des menschlichen Geistes ausmacht, sondern insofern er zusammen mit dem menschlichen Geist auch die Idee eines anderen Dinges hat, dann sagen wir, dass der menschliche Geist das Ding nur zum Teil, anders formuliert inadäquat, wahrnimmt.

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Im Grunde traut man sich ja kaum über Gott zu spekulieren, und doch ist es nur vernünftig, zuerst sogar sich mit der Idee Gottes in der Tat zu befassen. Denn wenn man erst einmal sich mit allerlei Differenziertheit befasst und sich dann meint damit sich dem Göttlichen Geiste anzunähern, wird man feststellen, dass man sich damit eher entfernt als angenähert hat.

Tatsächlich ist die ursprüngliche und vom Geiste her die natürlichste Idee die mit Gottes Geist übereinstimmend gedacht wird, das, was uns überhaupt ermöglicht, etwas adäquates zu Denken, wie es dem Geiste Gottes selbst entspricht [sich im übertragenen Sinne selbst ins Leben denken]. Denn was ist die erste Idee, die Gott gehabt haben mag, wo nichts anderes vor ihm war? Was würden wir also in so einer Situation denken?

Es muss etwas mit dem eigenen Gewahrsein zu tuen haben. Da es weder etwas gab, was dem entgegenstand, noch etwas, an dem Orientierung möglich wäre, oder etwas, was diese Idee begrenzen könnte, außer wie sie sich selbst für angebracht den Zusammenhalt gab, wurde also jeder Gedanke unbedingte Realität. Jede Realität hatte Existenz (weil es in dieser Substanz nichts gibt, was nicht existiert oder dieses Existieren einschränkt). Jede Existenz eine Substanz die einen Teil des lebendigen Gedankens in sich trug und alles war Essenz, nichts war, was nicht Teil der Essenz war, und dieses bis heute auch noch ist, weil es anders nicht sein kann, weil es nicht nicht-sein-können-kann, also ist es...


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