Freiheit und Unfreiheit des Willens Gottes - Ethik (alle)

Devino M., Donnerstag, 21. Juni 2018, 23:26 (vor 2142 Tagen) @ Devino M.

Ethik in geometrischer Ordnung dargestellt - Baruch de Spinoza
1.T. - Von Gott


Lehrsatz 33:
Die Dinge haben auf keine andere Weise und in keiner anderen Ordnung von Gott hervorgebracht werden können, als sie hervorgebracht worden sind.

Anmerkung 2:
Aus dem Vorangegangenen folgt klar, dass die Dinge in höchster Vollkommenheit von Gott hervorgebracht worden sind, da sie ja aus einer gegebenen höchsten vollkommenen Natur notwendigerweise erfolgt sind. Damit wird Gott nicht irgendeine Unvollkommenheit angelastet, hat doch gerade seine Vollkommenheit uns gezwungen, dies zu behaupten. Aus dem Gegenteil folgte sogar klarerweise, dass Gott nicht höchtstvollkommen wäre. Denn wären die Dinge auf andere Weise hervorgebracht worden, müssten wir Gott eine andere Natur zuschreiben, verschieden von derjenigen, die ihm zuzuschreiben wir genötigt sind, wenn wir ihn als ein höchstvollkommenes Seienedes ansehen.

Indessen bin ich mir darüber im Klaren, dass viele diese Auffassung als widersinnig verwerfen und sie ernsthaft in Erwägung zu ziehen nicht gewillt sind - allein deshalb, weil sie gewohnt sind, Gott eine andere Freiheit zuzuschreiben, sehr verschieden von derjenigen, die wir vorgetragen haben, nämlich einen unbedingten Willen. Aber ich bin doch sicher, dass sie, wenn sie die Sache recht bedenken und die Abfolge unserer Beweise gehörig erwägen wollten, eine solche Freiheit, die sie jetzt Gott zuschreiben, schließlich nicht bloß als töricht, sondern als ein großes Hindernis für die Wissenschaft gänzlich verwerfen würden.

Doch will ich ihnen zuliebe noch zeigen, dass, selbst wenn eingeräumt wird, zu Gottes Essenz gehöre ein Wille, aus seiner Vollkommenheit geleichwohl folgen würde, dass die Dinge auf keine andere Weise und in keiner anderen Ordnung von ihm hatten geschaffen werden können. Das wird sich leicht zeigen lassen, wenn wir zunächst das erwägen, was sie selbst einräumen, nämlich dass es von Gottes Beschluss und Wille allein abhängt, dass jedes Ding ist, was es ist; sonst wäre in der Tat Gott nicht die Ursache aller Dinge. Des weiteren [räumen sie ein], dass alle Beschlüsse Gottes von Ewigkeit her von Gott selbst unverbrüchlich festgesetzt sind; sonst bezichtigte man in der Tat Gott der Unvollkommenheit und Unbeständigkeit. Da es nun im Ewigen kein Wann, kein Vorher und kein Nachher gibt, folgt hieraus, nämlich aus Gottes Vollkommenheit allein, dass Gott niemals etwas anderes beschließen kann und auch nicht hat beschließen können, anders formuliert, dass Gott weder vor seinen Beschlüssen gewesen ist noch ohne sie sein kann.
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Das erklärt etwas, warum der liebe Baruch de Spinoza Schwierigkeiten hatte, seine Gedankengänge noch zu Lebzeiten der breiten Masse vorzustellen. Denn es stellte doch einen gewissen Kontrast dar zu den gängigen religiösen Überzeugungen seiner Zeit. Denn es stellt einen "personifizierten" Gott vor den Konflikt (so wäre man von sich ausgehend genötigt Gott in der Weise anzusehen), dass er ja doch keinen freien Willen hätte oder womöglich nach belieben haben können könnte.

Was hier zum einen außer acht gelassen wird, ist die Liebe als solche. Denn aufgrund der Liebe, die ja Gottes freier Wille, ja selbst seine Eigenschaft ist, kann er nicht anders als er kann, denn es ist ja doch alles von ihm hervorgebracht und also auch sein freier Wille bereits gewesen, ohne welchen es also schon gar nichts gäben täte, und manches oder vieles, vielleicht das Meiste, aufgrund seiner Liebe besteht und nicht als erster Ursache aufgrund seines (dem anschließend folgenden) Schöpferwillens.

Doch liegt die Freiheit und Unfreiheit des Willens Gottes nicht nur darin, dass er sich unbedingt an sich selbst halten wird, sondern dass selbst wenn er alles umgestalten würde, und alles und alle, sagen wir zu einer anderen Aufhängung umgehangen würden, sie es doch nicht (direkt oder überhaupt) feststellen könnten. Denn aufgrund Gottes Eigenschaften wäre es dann so, als wäre es schon immer so gewesen und könnte jederzeit auch nicht anders sein. Denn wir könnten schließlich nicht eine Kontinuität hervorbringen die Gottes erste (und für uns also jederzeit die Erste) Ursache seiner selbst überstiege.


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