FrauenRechte (alle)
Ohne Frauen steht die Welt still
Art. 3, Ziff. 9 der Verfassung verpflichtet sich die Islamische Republik Iran zur "Aufhebung aller ungerechtfertigten Benachteiligungen und die Schaffung gerechten Zugangs zu sämtlichen materiellen und geistigen Gebieten für alle" sowie nach Ziff. 14 zur "Sicherung allseitiger Rechte aller, Männer und Frauen, Schaffung sicherer und gerechter Justiz für alle sowie allgemeiner Gleichheit vor dem Gesetz".
Art. 21: "Die Regierung ist verpflichtet, die Rechte der Frau unter Berücksichtigung islamischer Maßstäbe zu gewährleisten und folgende Maßnahmen durchzuführen: 1) Die Schaffung geeigneter Grundlagen für die Entwicklung der Persönlichkeit der Frau und der Wiederherstellung ihrer materiellen und immateriellen Rechte; 2) Mutterschutz insbesondere während der Schwangerschaft und Kinderpflege sowie Schutz alleinstehender Kinder; 3) Bildung zuständiger Gerichte zum Schutz der Existenz und des Fortbestandes der Familie; 4) Schaffung besonderer Versicherungen für Witwen, ältere und alleinstehende Frauen und 5) Übertragung der Vormundschaft im Interesse der Kinder an würdige Mütter, sofern kein gesetzlicher Vormund vorhanden ist."
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Frauenrechte im Iran
Das Bild über Frauenrechte in Iran ist oft durch die Schleierpflicht geprägt. Dies wird der Komplexität des Themas nicht gerecht, da einerseits die Bandbreite der Diskriminierung ausgeblendet, andererseits Frauen – entgegen der gesellschaftlichen Realität – auf einen Opferstatus reduziert werden.
Iran gilt bei den Diskussionen um Frauenrechte im Islam als das Musterland einer islamischen Rechtsordnung, in der Frauendiskriminierung Programm ist. Nicht Wenige assoziieren mit Iran unwillkürlich und als Erstes Bilder von Frauen im schwarzen Ganzkörperumhang (Tschador). Doch Frauenrechte in Iran nur darauf zu reduzieren, wird der Komplexität des Themas nicht gerecht. Einerseits wird so die Bandbreite der Diskriminierungen von Frauen ausgeblendet, andererseits werden Frauen, die als unmündige Kopftuchträgerinnen betrachtet werden, zugleich auf einen Opferstatus reduziert.
Eine auf die Kopftuchpflicht fokussierte Sichtweise blendet zudem die seit Jahren stattfindende Entwicklung aus, welche die gesellschaftliche Realität immer mehr von der Verfassung und Verfassungswirklichkeit entfernt hat.
Stellung in der Verfassung: Präambel
In dem barocken Konglomerat der Präambel zur iranischen Verfassung wird Frauen ein Abschnitt gewidmet, dessen Vorgaben für die Stellung der Frau in der Verfassung richtungsweisend sind, auch wenn der Präambel keine Bindungswirkung zukommt.
Nach dem Selbstverständnis der Verfassung wird der Frau dadurch, dass ihr mehr Verantwortung zugebilligt wird, auch eine größere Wertschätzung und höhere Würde zuteil. Damit verankert der Verfassungsgeber die Rolle der Frau allerdings in unmittelbarem Zusammenhang mit dem hohen Stellenwert der Familie - und nur in diesem Kontext werden Frauenrechte gewährleistet. Für sich genommen ist dieser Wert fraglos fundamental und nicht zwangsläufig negativ für die Frau. Doch geht mit der Hervorhebung der Familie als elementare Einheit der iranischen Gesellschaft zunächst das historische Novum einher, dass die Verfassung davon ausgeht, dass sich die Gesinnung der Eheleute in Bezug auf islamische Vorstellungen deckt. Dies birgt insbesondere in menschenrechtlicher Hinsicht zahlreiche Diskriminierungen in sich, wenn es auch nach dem Selbstverständnis der Verfassung des islamischen Staates konsequent sein mag. Neben der Betonung der Familie als fundamentale Einheit der Gesellschaft, wird der Frau, der die Aufgabe der Mutterschaft immanent ist, auch eine gesellschaftliche Rolle als "Mitkämpferin des Mannes im aktiven Leben" zugewiesen. Darin kommen die modernen Komponenten der Verfassung zum Ausdruck, die jedoch im Gesamtkontext wenig ins Gewicht fallen.
Artikel 3, Ziffer 9 und 14
Der Staat verpflichtet sich in Art. 3 der Verfassung, alles dafür zu tun, um die darin definierten weitreichenden Ziele zu erreichen. In Bezug auf Frauen sind Ziff. 9 und Ziff. 14 dieser Norm relevant.[2] Aus der allgemeinen Formulierung von Ziff. 9, wonach sich der Staat "zur Beseitigung ungerechter Diskriminierung, zur Herstellung eines gerechten Zugangs zu sämtlichen materiellen und geistigen Gebieten für alle verpflichtet", kann jedoch wenig über die tatsächliche Gleichheit der Geschlechter abgeleitet werden. Auch bei Ziff. 14 ist der Sinngehalt der Norm keinesfalls eindeutig festgelegt.
Versteht man die Gleichheit vor dem Gesetz als nicht notwendig identisch mit der Gleichheit von Mann und Frau, wovon in der iranischen Verfassung auszugehen ist, so muss konstatiert werden, dass Art. 3 Ziff. 14 die Basis für die Existenz diskriminierender Normen in der gesamten Rechtsordnung darstellt. Da keine Gleichheit von Mann und Frau in den einfachgesetzlichen Normen (Zivil- und Strafrecht) existiert, kann das Postulat des Art. 3 Ziff. 14 nur dahingehend verstanden werden, dass Frauen und Männer in der Geltendmachung ihrer Rechte gleich sind, aber eben nicht im tatsächlichen Gehalt der Normen. Der Blick in die einfachgesetzlichen Normen zeigt, dass grundlegende verfassungsrechtliche Garantien in Bezug auf die Frauen mittelbar umgangen werden können oder aber einer orthodoxen Auslegung unterliegen. Dies gewinnt vor dem Hintergrund der in Ziff. 14 verankerten "Judikativen Gerechtigkeit und Gleichheit vor dem Gesetz" an Bedeutung. Denn die Judikative kann nur insoweit um die Herstellung der Gerechtigkeit bemüht sein, wie diese Männern und Frauen von Gesetzes wegen zuteil wird.
Bedenkt man die zahlreichen Ungleichheiten in sämtlichen Normen des Zivil- und Strafrechts, so ist die Gleichheit von Mann und Frau zwar als Verfassungsauftrag (Art. 3 Ziff. 14) explizit verankert, aber zugleich unter den Vorbehalt der "islamisch-adäquaten Gleichwertigkeit" der Rechte gestellt, die zudem unterschiedlich ausgelegt werden. Wird dabei einer traditionellen Lesart gefolgt, so wird durch die Verfassung den benachteiligenden Rechtsvorschriften Geltung verschafft.
Artikel 21
Die besondere staatliche Fürsorge für (vor allem sozial schwache) Frauen nimmt eine wichtige Stellung in der Verfassung ein. So ist Art. 21 als "Exklusiv-Grundrecht" allein den Frauen gewidmet.[3] Scheint diese Norm zunächst grundsätzlich frei von Diskriminierungen, so zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass die darin gewährleisteten Rechte nur im Rahmen der verfassungsrechtlich befürworteten Einheit der Familie, also auf der Basis der Stellung der Frau als Mutter und Ehefrau, verbürgt sind. Die Formulierungen im Art. 21 sind weitgehend allgemein und konturlos, was jedoch bisweilen als dynamische Basis dafür gesehen wird, die erforderlichen Reformen in sämtlichen Bereichen zu realisieren. Die Grundsätze im Art. 21 sind gemäß dem Selbstverständnis und den selbstdefinierten Zielen des islamischen Staates bzw. als dessen Fundamente zu verstehen, wie etwa der Schutz von Müttern und die Bekämpfung und Beseitigung der Armut, welche die Ideale der Islamischen Revolution widerspiegeln. Doch die Verwirklichung dieser Grundsätze stellt den Staat angesichts ökonomischer und wirtschaftlicher Probleme vor große Herausforderungen. Die Existenz besonderer Gerichte zum Schutz der Familie (Art. 21 Abs. 3) kann zwar bestätigt werden. Ihnen kann aber für eine hermeneutische Interpretation der Frauenrechte faktisch kaum etwas abgewonnen werden. Die buchstabengetreue Scharia-Sicht geht dort selbstredend wie in der übrigen Gerichtsbarkeit in der Regel zulasten der Frauen.
Art. 21 Abs. 5, der eine Privilegierung "würdiger Mütter" zum Gegenstand hat, stellt eine Diskriminierung des überwiegenden Teils der Frauen dar. Denn demzufolge wird die Vormundschaft des Kindes, die grundsätzlich beim Kindsvater bzw. seinen Ahnen liegt, nur ausnahmsweise jenen Müttern übertragen, die sich als würdig im Sinne des Islam erwiesen haben (etwa Kriegswitwen); und auch nur dann, wenn keine männlichen Vormundpersonen mehr existieren.
Festzuhalten ist: Art. 21 weckt auf den ersten Blick mehr Hoffnungen, als durch ihn realisiert werden (könnten). Das "Exklusiv-Grundrecht" gewährleistet Frauenrechte nur im Rahmen des tradierten Verfassungsbildes, welches auf die Rolle als Mutter und Ehefrau aufbaut. Der Artikel ist kein Garant für gleiche Rechte von Mann und Frau und liefert somit wenig Input für Frauenrechte im Sinne moderner Menschenrechte.
http://www.humanrights.ch/de/menschenrechte-themen/gleichstellung/uno/
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