G.W. Leibniz - über Musik (alle)
Leibniz über Musik:
Die Musik ist der Arithmetik untergeordnet, und wenn man einige grundlegende Versuche mit Harmonien und Dissonanzen kennt, weiß man, daß alle übrigen Prinzipien von Zahlen abhängen.
Leibniz: Regeln zur Förderung der Wissenschaften, 1680 zitiert nach Leibniz. Diederichs Philosophie jetzt, Hrsg. Peter Sloterdijk, Thomas Leinkauf,
München 1996 III.
Es ist durchaus möglich, daß es irgendwo Lebewesen gibt, die mehr musikalische Sensibilität haben als wir und die sich an musikalischen Proportionen erfreuen, von denen wir weniger berührt werden. ...
Wir zählen in der Musik nur bis fünf – jenen Völkern gleich, die in der Zahlenlehre nicht über drei hinauskommen und für die die deutsche Redewendung über einen einfältigen Menschen gilt: „er kan nicht über drey zehlen.“ Denn die von uns benutzten Intervalle sind alle aus Verhältnissen zwischen den Primzahlen 1, 2, 3 und 5 zusammengesetzt. Wenn uns etwas mehr Feinheit gegeben wäre, könnten wir auch die mit der Primzahl 7 einbeziehen. Und ich glaube, daß es das in der Tat gibt. Deshalb hat die Antike die Zahl sieben nicht völlig gescheut. Aber es wird kaum Menschen geben, die auch die Intervalle aus den nächsten Primzahlen 11 und 13 verwenden.
Den Grund aber für die Konsonanz muß man meiner Meinung nach in der Übereinstimmung der Schläge suchen. Die Musik ist eine verborgene arithmetische Übung des Geistes, der nicht weiß, daß er zählt. ...
Wenngleich also die Seele nicht merkt, daß sie zählt, so spürt sie doch die Wirkung dieses unmerklichen Zählens, das heißt das sich ergebende Vergnügen bei der Konsonanz und das sich aus der Dissonanz ergebende Beschwerliche. Aus der Übereinstimmung von vielem Unmerklichem entsteht das Vergnügen. ...
Bei der Oktave stimmt jeder zweite Stoß der einen Reihe mit einem Stoß der anderen überein. Bei der Quinte stimmt jeder dritte der einen mit jedem zweiten der anderen Reihe überein. ...
Ich glaube nicht, daß irrationale Verhältnisse als solche der Seele gefallen, außer wenn sie nur wenig von rationalen Verhältnissen, die gefallen, verschieden sind: zufällig gefallen Dissonanzen bisweilen dennoch, und sie werden mit Erfolg angewendet, und sie werden dem Angenehmen wie Schatten der Ordnung und dem Licht dazwischengesetzt, damit man sich schließlich umso mehr der Ordnung erfreut. ...
Hannover, 17. April 1712
Wenn Gott rechnet, und seinen Gedanken ausführt, entsteht die Welt.
Die philosophischen Schriften von Gottfried Wilhelm Leibniz, Hrsg. Carl Immanuel Gerhardt, Berlin 1875-90
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